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Was die Einheit der Zeit betrifft, so behauptet der Dichter
in der Vorrede, dass das Drama die Zeit von sechs Stunden nicht
überschreite. Dieses zugestanden, wäre der Forderung der Franzosen
volles Genüge geleistet. Ja, sie würden ihm im äussersten Falle
noch vierundzwanzig Stunden mehr bewilligt haben. Natürlich
kann man sich die ganze Handlung in sechs Stunden vollzogen
denken, zumal da im Lustspiel durch die geschäftige Intrigue alles
viel schneller zu Ende geführt wird. Doch dann wäre damit doch
nur die physische Einheit der Zeit beobachtet. Können denn
wirklich innerhalb sechs Stunden zwei Menschen, die im vor
liegenden Falle noch dazu einander völlig fremd sind, sich kennen
lernen, lieb gewinnen und heiraten, wenn auch noch soviele Momente
von aussen darauf hinarbeiten? Es ist eben, auch in der Komödie,
an der bloss physischen Einheit nicht genug; die moralische
muss dazu kommen, deren Verletzung für alle empfindlich ist. 1 )
In dieser Hinsicht hätte ihm die Moliere’sche Komödie vor
bildlicher sein können. Hier ist in der Tat die geförderte Einheit
überall gewahrt geblieben. Doch beliebt es ihm auch niemals,
Handlungen darzustellen, die längere Zeit als einen Tag in Anspruch
nehmen. Er weiss in der Entwicklung der menschlichen Hand
lungen stets den Moment zu erfassen, von wo aus sie in der gesetz-
mässigen Zeit zu einem natürlichen Abschluss gebracht werden
können. Durch die Expositionsszene werden wir über die Vor
geschichte des Dargestellten so weit in Kenntnis gesetzt, als zum
Verständnis des weiteren Verlaufes notwendig ist. So begnügt er
sich auch im „Misanthrope“ damit, zu zeigen, wie Alceste sich
wieder von den Fesseln einer unglücklichen Liebe freimacht. Und
das konnte allerdings in sehr kurzer Zeit geschehen.
!) Lessing: Hamburgische Dramaturgie, XI. Stück.