Full text: Thomas Shadwell's Komödie "The Sullen Lovers" in ihrem Verhältnis zu Molière's Komödien "Le Misanthrope" und "Les Fâcheux"

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Hauptschwierigkeit der Arbeit gelöst. Um die gegenseitige Neigung 
bei den beiden Hauptgestalten, Stanford und Emilia, zu wecken, 
lässt er beide den festen Entschluss fassen, die Einsamkeit auf 
zusuchen, weil sie beide in gleicher Weise von der Zudringlichkeit 
der Lästigen überall verfolgt werden. Das gleiche Geschick und 
die gleiche Gesinnung musste gegenseitige Neigung zur Folge haben. 
Es handelte sich also für den Dichter darum, beide Personen 
in Situationen hineinzuführen, die dazu beitrügen, diesen Entschluss 
der Weltflucht bei ihnen zur Reife gelangen zu lassen. Zu dem 
Ende hetzt er ihnen immer neue Quälgeister auf den Hals. Für 
die verschiedenen Typen der Lästigen bot sich ihm aber das 
Moliere’sche Lustspiel „Les Fächeux“ als eine reiche Fundgrube dar. 
Fragt man sich nach den obigen Darlegungen, welche der 
beiden Quellen für den Dichter die wertvollere war, muss man 
antworten: „Le Misanthrope“. Diese gab ihm die Hauptcharaktere 
und die Fabel des Stückes an die Hand, während „Les Fächeux“ 
nur die nötigen Situationen, also das Sekundäre eines Dramas, 
lieferten. Wenn nun, nach Lessing, in der Komödie die Charaktere 
das Hauptwerk, die Situationen aber nur die Mittel sind, jene sich 
äussern zu lassen, und man deshalb nicht die Situationen, sondern 
die Charaktere in Betracht ziehen muss, wenn man bestimmen 
will, ob ein Stück Original oder Kopie genannt zu werden ver 
diene, 1 ) kann man leicht verstehen, dass Shadwell die Vorlage, der 
er die Situationen entlehnte, unumwunden eingesteht, während er 
die Hauptquelle wohlweislich verschweigt, um damit nicht die 
Originalität seiner Arbeit sofort preiszugeben. 
Wie ich oben nachzuweisen versucht habe, hat Shadwell die 
Hauptcharaktere und die Fabel zu den „Süllen Lovers“ Moliere 
entlehnt, wenn auch immerhin berücksichtigt werden muss, dass 
er sich beides erst aus der Vorlage hat herausarbeiten müssen. 
Immerhin ist schon dadurch die Originalität des Dichters sehr 
in Frage gestellt; sie wird es vollends durch die Art und Weise, 
wie er auch die Situationen, in die er seine Hauptgestalten hinein 
führt, seiner Quelle entlehnte. 
Zum besseren Verständnis der obigen Annahmen# ist es not 
wendig, nunmehr näher auf die Handlung des Stückes einzugehen. 
D Lessing: Hainburgische Dramaturgie. 51. Stück.
	        
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