9
französisiert, folglich wurden es die Dichter auch. Was lag nun
für sie näher, als sich einfach an französische Muster zu halten?
Dieses haben sie denn auch weidlich besorgt. 1 ) Ja, oft hielt man
es nicht einmal der Mühe wert, diesen fremden Stoffen ein einhei
misches Gepräge zu verleihen. Höchstens verlegt man die Handlung
von Paris nach London und gibt den auftretenden Personen eng
lische Namen; wenn dann noch Anspielungen allzu spezieller
Natur geändert, auch wohl hier und da wirklich von Geist
sprühende Partien des Originals durch Plattheiten ersetzt sind,
glaubt man genug getan zu haben.
Gefördert wurde diese Art der Produktion durch die Not
wendigkeit, unaufhörlich und möglichst schnell neue Stücke zur
Aufführung zu bringen. Die Zahl der Theaterbesucher der da
maligen Zeit war eine so geringe, dass der Dichter schon von
einem grossen Erfolg reden konnte, wenn ein Stück das Glück
hatte, zehn Mal aufgeführt zu werden. 2 )
Wenn auch die Vertreter dieser Literaturepoche, selbst die
wichtigsten, wie Dryden, Shadwell, Otway, Lee etc., in der Folge
zeit mit ihren Werken mehr oder weniger der Vergessenheit
anheim gefallen sind, bilden sie doch für den Kulturhistoriker
eine reiche Fundgrube. Aber auch der Literarhistoriker kommt
bei ihnen auf seine Rechnung, indem er hier bequem studieren
kann, mit welchen Mitteln fremde Stoffe umgearbeitet werden.
Die grösste Popularität nächst Dryden, der an der Spitze
der neuen Literaturepoche steht, hat wohl Thomas Shadwell ge
habt. Die Urteile über diesen Dichter sind allerdings sehr geteilt. 3 )
Soviel steht jedoch fest, dass Shadwell zu seinen Lebzeiten sehr
grossen Erfolg auf der Bühne gehabt hat, jedenfalls so lange,
als er noch nicht durch die heissende Satire Dryden’s so lächer
lich gemacht war.
L Ward: History of Engl. Draraat. Lit. III. S. 447.
2 ) Beljame: Le public et les horaraes en Angleterrc au XVIII e siede.
Paris 1881. S. 57.
3 ) Man vergleiche die so ganz auseinander gehenden Ansichten über
seine Bedoutung in: Blackwood’s Edinburgh Magazin vol. IX. June 1821.
The retrospective Review II.