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die alten Autoren und auch wie oben zitirt Mendelssohn
für die Entstehung der Hydronefrose die einfache Kreuzung
für genügend halten, wird dies von Englisch und Küster
bestritten. Letzterer hält es für „fast sicher“, daß kreuzende
Gefäße eine ausreichende Stauung nicht zu erzeugen ver
mögen und meint, daß man fast in jedem Falle ein höher
oder tiefer gelegenes Hindernis feststellen könne. Wohl
aber könne ein kreuzendes Gefäß zu der schon vorhandenen
Hemmung eine neue hinzufügen. Denn der in Entwicklung
begriffene Sack dränge sich mit seiner vorderen Wand
zwischen den Gefäßen durch und ziehe den oberen Teil
des Harnleiters nach und bewirke so eine Knickung desselben
über den Gefäßstamm. Wenn damit Küster nun auch
kreuzenden Gefäßen bei der Hydronefrose eine nur sekun
däre, nicht primäre Rolle zuweist, so sind doch derartige
Gefäßanomalien wenn nicht für das Entstehen so doch für
das Wachstum und den Bestand der Hydronefrose stets von
allergrößter Wichtigkeit. Das zeigt deutlich ein von
Decressac 1 ) beobachteter und in gleicher Weise gedeuteter
Fall, in welchem der Harnleiter von einer abnormen Nieren
vene gekreuzt und über diese geknickt war.
Die linke Niere zeigte sich hier stark hydronefrotisch
verändert, das Becken war zu einem 2 faustgroßen Tumor
aufgetrieben, die Nierensubstanz auf eine dünne Schale
reduzirt. Die Nierenvene teilte sich in 2 Äste; der eine
lief auf der Vorderseite des Beckens nahe dessen oberem,
der andere auf der Rückseite nahe dem unteren Rande.
Beide bildeten also einen das Nierenbecken umfassenden
Zügel. Der Ureter entsprang der hinteren Seite, in der
Mitte zwischen äußerem und innerem Rande und sehr nahe
dem unteren und zog sich von hier aus in S-förmigem
Bogen nach oben verlaufend um den hinteren, unteren
Venenast herum. Dann lief er auf dem gewöhnlichen Wege
J ) Decressac, Bulletin de la societe anatomique, Paris 1888.