Full text: Der Parallelismus zwischen Chateaubriand und Lamartine

68 
Endlich sei noch darauf hingewiesen, dafs Chateaubriand, wie 
schon oben erwähnt, 104 ) gern Zeiten der Ungläubigkeit in Gegen 
satz bringt mit solchen strenger Religiosität — natürlich stets zu 
Gunsten der letzteren — und dafs auch in diesem Umstande die in 
Vorstehendem charakterisierte Tendenz zu erkennen ist. 
Auch in dieser Beziehung ist für Lamartine eine Parallele zu 
Chateaubriand festzustellen. Der Gesamtheit seiner Dichtung ist 
gleichfalls ein durchaus religiöser Grundzug eigen, denn auch sein 
Bestreben war es, seinem Vaterlande die Religion wiederzugeben. 105 ) 
Aber wieder müssen wir für Lamartine Chateaubriand gegenüber 
eine Einschränkung machen: bei ihm wird die Religion nie Selbst 
zweck, er drängt seinen Werken nie eine religiöse Tendenz auf. 
Ihm gilt nach den Versuchen Chateaubriands dessen These, dafs 
das Christentum sich ebensogut für die Dichtung eigne wie der 
Polytheismus des klassischen Altertums, als erwiesene Tatsache, 
und so schafft er in demselben Sinne weiter. Die Poesie ist ihm 
„le premier cri qui est remonte ä [Dieu] de Phumanite! Ce sera 
aussi le dernier cri que le createur entendra s’elever de son ceuvre, 
quand il la brisera. Sortie de lui, eile remontera ä lui“. 106 ) 
. Deux elements“, sagt Dechanei, 107 ) „caracteris ent sa 
poesie: la religion et Pamour,“ und an einer anderen Stelle schreibt 
er: „. . . l’insertion singuliere d’„Atala“ et de „Rene“ dans le G. 
d. ch. avait pu preparer les esprits ä ce melange de la religion et 
de Pamour.“ 108 ) Aber diese beiden Elemente, Liebe und Religion, 
sind nicht überall in den Werken Lamartines gleich stark ver 
treten; in den „Premieres Meditations“ scheint die Liebe vorzu 
herrschen, die Religion in der zweiten Sammlung. 109 ) In den 
„Harmonies“ „Pintention du poete est d’eliminer Pamour, afin que 
la religion regne seule. — Ce que Chateaubriand a entrepris en 
prose, I^amartine parait s’etre propose de le continuer en vers, par 
les „Harmonies poetiques et religieuses“. 100 ) 
In „Jocelyn“ bedingt schon der Umstand, dafs ein junger 
Geistlicher der Held des Epos ist, ein starkes Hervortreten der 
christlichen Religion und in „La Chute d’un Ange“ hat der 
Dichter geschickt religiöse Züge auch dort einzuflechten gewufst, 
wo der Leser sie nicht erwartet, 110 ) während die zweite Hälfte 
dieses Epos, die man mit Recht „Les Martyrs“ überschreiben 
könnte, neben der Liebe wieder der Religion den Hauptplatz 
einräumt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.