Full text: Der Parallelismus zwischen Chateaubriand und Lamartine

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keit in kürzester Zeit; und wenn sie auch nicht vollem Unglauben 
anheimfielen, so wurden sie doch von schwersten Zweifeln heim 
gesucht. Erst eine engere Berührung mit der Natur, mit der der 
Alpenwelt bei dem einen, mit derjenigen der Urwälder Amerikas 
bei dem andern, bereitete bei beiden den Boden zur Umkehr und 
damit zur Rückkehr zur Gläubigkeit vor. Dieser Prozefs vollzog 
sich bei Lamartine allmählich und war mit dem Tode der Ge 
liebten beendet; bei Chateaubriand war er eine Art von innerer 
Erleuchtung, herbeigeführt durch den Brief der Schwester, der 
ihm den Tod der Mutter meldete. So wurden beide wieder streng 
gläubige Christen im Sinne der katholischen Kirche. Aber mit 
der Zeit wandelten sich ihre religiösen Ansichten von neuem, 
jedoch nun nicht mehr in der gleichen Richtung. Denn während 
Lamartine, der aufrichtigere von beiden Männern, den Mut be- 
safs, aus den Zweifeln, die sich in seinem Innern aufs neue er 
hoben, die Folgerungen zu ziehen, und so zu einer neuen, 
selbständigen religiösen Anschauung kam, spielte Chateaubriand 
seine erfolgreiche Rolle als Verteidiger des katholischen Christen 
tums weiter, obwohl auch seine Ansichten nicht mehr mit dessen 
Lehren übereinstimmten. In diesem negativen Punkte liegt ein 
letzter Parallelismus der religiösen Entwickelung Chateaubriands 
zu derjenigen Lamartines vor. 
Die Verschiedenheit der religiösen Anschauungen unserer 
beiden Dichter ist von Deschanel gelegentlich der Allgemein 
betrachtung der „Meditations poetiques“ in treffender Weise charak 
terisiert worden; seine Worte mögen dieses Kapitel zusammen 
fassend abschliefsen : „[Chateaubriand] n’a qu’une sensibilite d’imagi- 
nation et qu’une religion litteraire; palen au fond, il monte le 
christianisme comme un opera, avec plus de decors et de mise en 
scene que de conviction et de foi Lamartine, religieux 
par iustinct autant que par education, mele ä ces sentiments 
[la passion et la vertu] un amour spiritualise par la douleur de 
la mort imminente et bientot accomplie. Par lä, son influence 
est bien autrement pure, infiniment plus charmeresse et legitimement 
seduisante.“ 115 )
	        
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