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haften Rufes, an die Hortense Allart fesselte. 113 ) Dafs Chateau
briand diese Dinge in seiner Selbstbiographie unterdrückt, bedarf
nach dem bisher Gesagten kaum der Erwähnung.
Schliefslich lassen auch seine teilweise sehr engen Beziehungen
zu den bedeutendsten Freidenkern jener Jahre wie Lamenais, 114 )
Armand Carrel und sogar mit dem noch ungleich radikaleren
Beranger bei seiner sonstigen, allerdings zu seiner Rolle gehörigen
Unduldsamkeit, seine religiöse Überzeugung als eine wenig ge
festigte erscheinen.
§ 4.
Zusammenfassende Betrachtung.
Wie für den Lebensgang Chateaubriands und Lamartines er
gibt sich nach dem in diesem Kapitel Dargelegten ein, wenn auch
nicht gleich weit gehender Parallelismus für ihre Stellungnahme
der Aufklärungsphilosophie und Weltanschauung des 18. Jahr
hunderts gegenüber, sowie für ihre religiös-kirchlichen Anschauungen.
Beide mit einem schier unersättlichen Gefühlsdrange begabt,
fühlen sie sich, bald nachdem sie mit ihnen bekannt geworden
sind, von den kalt berechnenden Aufklärungsphilosophen zurück-
gestofsen, da deren Doktrinen dem Empfinden gar keinen Spiel
raum lassen. Rousseau und Saint-Pierre, die dem inneren Ge
fühlsleben Chateaubriands und Lamartines den ersehnten Stoff
in Fülle bieten, ziehen sie mächtig an.
Jeder der beiden Dichterknaben empfängt im Elternhause
von frühester Kindheit an mehr oder weniger tiefgehende religiöse
Eindrücke, die in den von Geistlichen geleiteten Schulen, die sie
nach dem Verlassen des Elternhauses beziehen, vermehrt bezw.
verinnerlicht werden. So treten sie beide als gläubige, katholische
Christen ins Leben hinaus. Aber kaum haben sie die ersten
selbständigen Schritte getan, so gerät ihr Glauben auch schon ins
Wanken. Bereits während ihrer Schulzeit war ihre religiöse Festig
keit starken Anfechtungen ausgesetzt worden, dadurch dafs jedem von
ihnen durch Zufall Bücher in die Hand gefallen waren, die ihn mit
bisher ungeahnten und ungekannten Dingen und Lehren bekannt ge
macht hatten. Die Autorität der Lehrer war es damals wohl ge
wesen, die einen sofortigen Abfall vom Glauben verhindert hatte.
Jetzt aber, als die Freiheit des Lebens mit ihren zahlreichen
neuen Reizen und Verführungen sie umfing, schwand ihre Gläubig-