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als er nach der ersten Kommunion auf das College zu Rennes ge
schickt wurde, obwohl auch dort die Erziehung eine sehr religiöse
w r ar. So ist es nicht zu verwundern, wenn es ihm wie Lamartine
erging, als er von der Schulbank in die Welt hinaustrat, dafs
auch sein Glauben ins Wanken geriet.
Nach dem Verlassen der Schule wurde er jedenfalls bald näher
mit der Aufklärungsphilosophie bekannt, Tatsache ist wenigstens^
dafs er während seines wiederholten Aufenthaltes in Paris die
Gesellschaft der damals modernen Philosophen und Litteraten suchte
und fand. Delisle de Sales, Flins, de Parny, Ginguene, Lebrun,
Chamfort und La Ilarpe, damals noch Mitglied der philosophischen
Partei, \varen die Männer, mit denen er namentlich verkehrte,
und deren Ansichten er sich aneignete, da auch er davon träumte,
dermaleinst auf dem Gebiete der Litteratur eine Rolle zu spielen^
und da es dem Anfänger unmöglich erscheinen mufste, anders als
unter der Protektion dieser Persönlichkeiten in die Litteratenlauf-
balm einzutreten. 63 ) Es gehörte zum guten Tone, ungläubig zu
sein, sagt Chateaubriand selbst, 64 ) und er konnte sich dem Ein
flüsse dieser Modeströmung nicht entziehen. Erst die Natur machte
auch ihn wieder für religiöse Eindrücke empfänglich; er lernte
sie in ihrer erhabensten Grofsartigkeit in den Urwäldern Amerikas
kennen, und sie erschien ihm „als der Ursprung jeder Religion,
als die Urquelle aller religiösen Gefühle . . . ., welche die Fetische
die Manitous oder derartige Abgötter hervorbringen sollten 4 '. 65 )
Ohne dafs er sich für eine geoffenbarte Religion begeisterte, er
griff ihn das Unendliche schon mächtig; 66 ) „es war ihm, als wenn
er eine Pflanze, ein Teil des grofsen Alls würde. Das Herz
strömte ihm über, und der Kopf ruhte aus; kurz, er schwelgte in
einer Art Pantheismus 4 . 67 ) Die Folge war, dafs er in seinem
„Essai sur les revolutions 4 der christlichen Religion gegenüber einen
Standpunkt der Duldsamkeit einnahm, ihren Wert und ihre Ver
dienste anerkannte, ohne jedoch ihre Lehren anzunehmen. Letz
teren gegenüber verhielt er sich vielmehr zweifelnd; allerdings, —
„ses doutes . . . vont par moments aussi loiu que possible 4 . 68 )
Unter diesen Umständen erscheint uns die Geschichte seiner
Bekehrung, wie der Dichter sie uns selbst in der Preface zur
ersten Ausgabe des G. d. ch. berichtet, 69 ) nicht nur glaubhaft,
sondern sogar wahrscheinlich. Der Boden war vorbereitet, das
Samenkorn zu empfangen, und als dieses auf ihn fiel, schofs es
rasch zur fruchttragenden Pflanze auf.