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von selbst ergebende Vierteilung auf: Die Vorbereitungszeit, die
Zeit der Beschäftigung mit der Dichtkunst, die Zeit der politischen
Betätigung und die Jahre der Zurückgezogenheit gehen bei beiden
Dichtern so parallel neben einander her, dafs selbst der Über
gang von dem einen Abschnitt zum andern in ungefähr denselben
Lebensjahren erfolgt. Als Chateaubriand sein erstes Buch, den
„Essai sur les revolutions,“ veröffentlichte, war er 29 Jahre alt;
Lamartine trat 1820 im gleichen Alter mit seinen „Meditations
poetiques“ an die Öffentlichkeit. Dieser war 44 Jahre alt, als
er seine politische Tätigkeit begann, jener 45. 220 ) Der eine be-
schlofs sie 1830 etwas über 60 Jahre alt, der andere 1848 im
fast gleichen Alter. Beide starben hochbetagt, Chateaubriand im
79sten, Lamartine im 78sten Lebensjahre.
Aber dieser merkwürdiger Parallelismus geht so weit, dafs
er sich selbst auf Einzelheiten des Lebens erstreckt.
Beide Dichter stammten aus altangesehenen Familien, die sich
ihrer Beziehungen zum Königshause der Bourbonen rühmten.
Beide verbrachten ihre Kindheit in einer kleinen Stadt und auf
dem Lande. Jeder von beiden Dichtern besuchte zwei Colleges,
verbrachte die Jahre nach Beendigung der Gymnasialzeit in
Träumerei, Ausschweifungen und Untätigkeit und unternahm,
21 Jahre alt, eine gröfsere Reise, die den einen nach Amerika,
den anderen nach Italien führte. Chateaubriand wie Lamartine
waren zeitweilig Offiziere im bourbonischen Heere, der eine vor
der Revolution, der andere nach dem Sturze des Kaisertums.
Jener begleitete 1792 die bourbonischen Prinzen nach Thionville,
dieser folgte dem fliehenden Ludwig XVIII. bis Bethune. Chateau
briand wanderte 1793 nach London aus, Lamartine flüchtete
1815 vor den Napoleonischen Werbern in die Schweiz. Durch
den Tod der Mutter wurde Chateaubriand, Lamartine durch den
der Geliebten zum Glauben der Kindheit, der beiden im Laufe
der Jahre verloren gegangen war, endgültig zurückgeführt. 221 ) Diese
Umkehr-regte jeden der beiden zu seiner bedeutendsten poetischen
Schöpfung an. Beide erhielten von dem jeweiligen Machthaber
als Dank für die litterarische Leistung eine Anstellung im diplo
matischen Staatsdienste (Chateaubriand als Gesandtschaftssekretär
in Rom, Lamartine als Gesandtschaftsattache in Neapel, später
als Gesandtschaftssekretär in Florenz). Jeder von ihnen wurde
um das vierzigste Lebensjahr in die Akademie gewählt (1811: 1829).
Chateaubriand unternahm eine Pilgerfahrt in das Morgenland,