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In diesen Jahren vollzog sich, den Zeitverhältnissen ent
sprechend, ein vollständiger Umschwung in Chateaubriands Innerem.
Die von Tag zu Tag wachsende Willkür des Kaisers erweckte
immer allgemeineren Widerspruch, und Chateaubriand, der gerade
in dieser Zeit von neuem direkt und indirekt unter der Gewalt
tätigkeit des Kaisers zu leiden gehabt hatte, — sein Vetter,
Armand de Chateaubriand, war im März des Jahres 1809 wegen
Hochverratverdachtes erschossen und dem Dichter selbst im Sep
tember 1812 der Rat gegeben worden, Paris zu verlassen, 176 ) —
fühlte sich immer stärker zur Opposition gegen den Caesarismus
und damit zu rein politischer Tätigkeit liiugezogen.
Im Eingänge zum letzten Kapitel der Martyrs hatte Chateau
briand in aller Form Abschied von den Musen genommen; und
es sollten nicht leere Worte sein, die er dort gesprochen hatte.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen, deren wichtigste „Mo'ise“ ist,
hat er sein Wort gehalten.
Auch Lamartine wurde bald seines diplomatischen Amtes in
folge der Bedeutungslosigkeit desselben überdrüssig. Er liefs sich
auf unbestimmte Zeit beurlauben und begann mit seiner Gattin
zu reisen. Zunächst begaben sich beide nach Rom, wo ihnen am
15. Februar 1821 ein Sohn geboren wurde; dann finden wir sie
der Reihe nach in Aix, auf Lamartines Gut Saint-Point, in Mäcon,
wo die Gattin am 14. Mai 1822 einer Tochter genas, der er aufser
den Namen Marie-Louise auch den der verstorbenen Geliebten,
Julie, gab, und schliefslich in London, von wo aus sie sich nach
Paris zurückbegaben. Hier entrifs der Tod den bekümmerten
Eltern den kleinen Alphonse, der, schon immer schwächlich, die
Beschwerden des Reisens nicht hatte ertragen können.
Während dieser Jahre ruhte des Dichters Muse nicht. Ein
Freund hatte ihn auf Plato hingewiesen; er las die Apologie und
den Phädon und begeisterte sich so sehr für den griechischen
Philosophen, dafs er sich zu einer Dichtung, „La mort de Socrate“
entschlofsf In demselben Jahre 1823, in dem diese erschien, gab
er auch eine zweite Reihe der Meditationen heraus, die „Nouvelles
meditations poetiques“ 177 ), die er schon im voraus für 14000 Frcs.
verkauft hatte, — ein dem Dichter willkommenes Geschäft. Denn
auch er befand sich von jetzt an in selten unterbrochener Geld
verlegenheit und mufste häufig das litterarische Schaffen zum
Mittel des Gelderwerbs herabwürdigen. 178 ) Der Erfolg der neuen
Meditations blieb weit hinter dem der ersten zurück, sei es, dafs