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Schließlich muß ich noch auf einen Einwand eingehen, den man even
tuell machen könnte; man könnte nämlich behaupten, daß mein Fall trotz
allem Gesagten eine Kombination von Psychose und Myxödem sein kann,
da auch bei Psychosen ohne Myxödem einzelne Heilungen veröffentlicht sind.
Sieht man diese Veröffentlichungen genauer an, so stammen sie ein
mal meistens aus der Zeit der ersten überraschenden Erfolge der Schild
drüsentherapie, und dann scheint es sich bei allen Fällen um Psychosen
gehandelt zu haben, die auch sonst einer Remission zugänglich waren
(zirkul. Irresein, Paralyse, Katatonie u. a.). In Deutschland ist, soviel ich
sehe, keine einzige Heilung beschrieben worden. Wo man hier die Schild
drüsentherapie bei Geisteskranken versuchte, ging man mit größerer Kritik
an die Auswahl der Fälle heran. So wurden z. B. in der Wiener Psy
chiatrischen Universitätsklinik 1901 1 einige Kranke unter Thyreoidin ge
stellt, aber es wurde nicht der geringste Erfolg beobachtet. Selbst wo
ein krankhafter Zustand der Schilddrüse bessere Aussicht auf Erfolg der
Schilddrüsentherapie zu geben schien, trat dieser nicht ein. Matthey 2
sah bei 19 kröpf leiden den Geisteskranken, die mit Thyreoidin behandelt
wurden, keinerlei Einfluß auf die Psychose.
Demnach ist der beschriebene Fall einer der sehr seltenen Fälle von
myxödematösem Irresein, bei denen wohl die körperlichen, nicht aber die
geistigen Störungen unter Thyreoidinmedikation zum Verschwinden gebracht
wurden.
Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem verehrten
Chef, Herrn Direktor Dr. Reye, für die Überlassung des Falles, sowie
Herrn Oberarzt Professor Dr. Buchholz für die Anregung zur Veröffent
lichung desselben meinen Dank auszusprechen.
1 S. PlLCZ.
* Inauyural-Dissertation. Leipzig 1899.