Full text: Ein Fall von hysterischer Aphasie im Kindesalter

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Märchen und Schauergeschichten können das kindliche Gemüt, 
das leicht zugänglich ist, in verhängnisvollem Maße beein 
flussen und zur Hysterie führen. Auch Geschlechtsüber 
reizungen, wie Onanie, ferner Konstitutionsanomalien, wie 
Anämie und Chlorose, begünstigen in vielen Fällen die Ent 
wickelung der Hysterie. 
Sind die prädisponierenden Momente einmal vorhanden, 
so bedarf es nur eines „agent provocateur“ nach Charcot, 
um die Hysterie hervorzurufen. Gemütsbewegungen, Furcht, 
Schrecken, beängstigende Träume können den Anlaß geben. 
Nach Traumen, Züchtigungen, auch nach akuten Infektions 
krankheiten hat man oft Hysterie auftreten sehen. Schließlich 
sind Beispiel und Nachahmung häufig von großer Bedeutung 
für den Ausbruch der Hysterie. Zahlreiche Beobachtungen 
liegen vor, wo der bloße Anblick eines hysterischen Anfalles 
eine Hysterie ähnlicher Art hervorrief. Und zwar kann die 
Nachahmung zur Erkrankung eines Individuums führen, 
als auch eine Erkrankung vieler Menschen auf einmal her- 
vorrufen; es kommt zu hysterischen Epidemien. Solche 
sind im Laufe der Geschichte in großer Zahl aufgetreten. 
So waren z. B. die sogenannten Veitstanzepidemien des 
Mittelalters gewiß größtenteils hysterischen Charakters. 
Soweit über die Ätiologie der Hysterie. — Die Er 
scheinungen nun, welche diese Krankheit bietet, sind sehr 
mannigfaltig; es sei darüber kurz folgendes erwähnt. 
Wir finden häufig bei der kindlichen Hysterie, sowohl 
Lähmungen mit Kontrakturen, wie schlaffe Lähmungen vor; 
letztere in Form der Mono-, Para- und Hemiplegie, der 
Aphonie, des Mutismus, sowie der Astasie und Abasie. Für 
erstere ist charakteristisch, daß sie sehr stark sind und bei 
dem Versuch, sie auszugleichen, äußerst schmerzhaft sind. 
Der hysterische Blepharospasmus und im Anschluß daran 
event. Amblyopie und Amaurose, sowie choreatische Bewe 
gungen, die auf psychische Einwirkungen hin, z. Beisp. 
Schreck, entstehen können, sind im Kindesalter äußerst 
häufig. Weiter kommen oft Lach-, Wein- und Gälmkrämpe, 
hysterischer Husten und Erbrechen vor. 
Auf sensibelem Gebiete finden wir seltener Anästhesien 
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