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Verschiedenes. Die Erscheinungen können hin und wieder
verschieden sein, aber es ist immer ein und dieselbe Krankheit,
welche sie verursacht.“
Die meisten Erkrankungen an Hysterie treten in der
Zeit des 15. bis 25. Lebensjahres auf; die Pubertätsent
wicklungsperiode, das Problem der Standeswahl, Verheiratung
und Verliebtheit spielen in dieser Zeit eine Hauptrolle. Die
Hysterie des Kindes findet sich am häufigsten zwischen
dem 7. und 14. Jahre. Doch auch in jüngeren Jahren ist
die Hysterie nicht selten. Bruns beschreibt zum Beispiel
eine Anzahl Fälle von Astasie-Abasie, von Mutismus, chorea
minor und magna, von Krämpfen im Gesicht und den
Kiefermuskeln bei Kindern vom 4.— 6. Jahre; ja sogar ein
Kind, das an hysterischer Anaesthesie bei Barlow’scher
Krankheit litt, war noch nicht 2 Jahre alt.
Fragen wir nun nach der Ätiologie der Hysterie im
Kindesalter so müssen wir unter den prädisponierenden Ur
sachen der hereditären Belastung eine große Rolle zuschieben.
Briquet berechnet, daß die Kinder hysterischer Eltern
12 mal mehr zur Hyster ie prädisponiert sind, als die Kinder
nicht hysterischer, und daß für die Tochter einer hyste
rischen Mutter die Wahrscheinlichkeit, gleichfalls hysterisch
zu werden, mehr als '/± beträgt. „Die Hysterie“ sagt Pitres
in seinen lerjons cliniques sur l’hysterie et l’hypnotisme,
„besteht nicht in diesem oder jenem Falle, sondern in der
krankhaften Veranlagung, infolge derer durch irgendwelche,
oft an sich ziemlich unbedeutende Gelegenheitsursachen
die verschiedenen funktionellen Störungen hervorgerufen
werden.“ Die wahren Hysterischen sind hysterisch, ehe sie
die eclatanten Fälle der Hysterie darbieten und sie bleiben
hysterisch, nachdem diese Fälle verschwunden sind. „On
nait hysterique, on ne le devient pas. L’heredit^ cree la
diathese; ces causes occasiouelles ne font que provoquer
l’apparation des accidents.“ Doch nicht nur hysterische Eltern
haben hysterische Kinder; sondern auch Kinder deren Eltern
oder Blutsverwandten an Nerven- oder Geisteskrankheiten
leiden, werden hysterisch.
Eine große Rolle spielt die Erziehung der Kinder;