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zu entfernende Geschwulst oder bereits Metastasen vor sich
hat.
Bedenken wir, das der Organismus zwischen Primärtumor
und dem Ductus thoracicus, durch welchen den Geschwulst
zellen die Wege in den ganzen Körper geöffnet sind, eine
einzige Schutzwehr hat, die retroperitonealen Drüsen, und
wie wenig widerstandsfähig diese sind, bedenken wir weiter
die Neigung der Sarkome, früh und rasch zu metastasieren,
so muß die Frage von selbst kommen, kann nicht ein pro
phylaktischer Eingriff den Kryptorchisten sicher schützen ?
Einen sicheren Schutz gewährt die frühzeitige Castra
tion-, aber ob dieselbe in allen Fällen gerechtfertigt ist und
nicht vielmehr die Orchidopexie versucht werden muß, bleibt
dahingestellt. Es muß einmal das Alter des Individuums
berücksichtigt werden und weiterhin auch die Bedeutung des
Hodens für den menschlichen Organismus. Im allgemeinen
soll man bis zum 11 ten oder 12 ten Lebensjahre des Pa
tienten warten, da bis zu dieser Altersstufe ein verspäteter
Descensus noch erfolgen kann. Ist diese Grenze überschritten,
so soll je früher, desto besser, die Orchidopexie ausgeführt
werden; denn bei jüngeren Individuen liegen meist die Ver
hältnisse zur Herabbringung des Hodens und Fixation im
Scrotum günstiger, und dann ist noch die Möglichkeit vor
handen, daß das Organ in seiner normalen Lage sich noch
erholen kann und die Funktionsfähigkeit erhält. Leider ist
aber schon in den jungen Jahren des Individuums die Prog
nose für die Wiedererhaltung der Funktionsfähigkeit un
günstig ; vollkommen funktionsunfähig bleiben die Hoden
trotz der Verlagerung ins Scrotum nach dem 28 sten bis
29sten Lebensjahr. May dl 1 ) spricht, sich auch für die
Männer, die in der Mitte der Pubertätsjahre stehen, ent
schieden bei einseitiger Kryptorchidie für die Castration aus,
und ebenso für diese bei Beteiligung beider Hoden, wenn
eine völlige Impotentia generandi vorliegt. Aber auch in
*) Yariot et Bezangon: Influence de la secretion testiculaire sur
le developpement organique etc. Gazette medicale de Paris 1892, Bd. 20.