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Der Tischler P., ein ordentlicher und strebsamer Mann,
ist anscheinend von religiösen Wahnideen befallen worden.
Schon in den letzten Tagen äußerten sich die Anzeichen,
und Freitag Morgen sandte er einen Brief an die katholische
Geistlichkeit und bat um Beistand für einen Sterbenden.
Der Kaplan machte sich sofort auf den Weg, fand aber die
Wohnung von innen verschlossen. Der Irrsinnige verweigerte
den Einlaß und hielt vom Fenster seiner im 2. Stocke be-
legenen Wohnung aus irre Reden, zeigte sich in phantas
tischem Aufputz und veranlaßt« dadurch, daß sich in der
Straße eine große Menschenmenge versammelte. Im Beisein
des Geistlichen wurde die Tür polizeilich geöffnet und der
Irrsinnige dann nach der .Nervenklinik gebracht. P. verlor
vor einem Jahre seine Frau. Der Mann wirtschaftete mit
seinen beiden Kindern, zwei Knaben, allein u. s. w.
Ein Polizeibericht bestätigt im wesentlichen diese An
gaben und bemerkt, daß P. vom Fenster aus in religiöser
Weise auf die Straße hinunter predigte. Die Wohnung war
verschlossen und verbarrikadiert durch einen Kleiderschrank.
Es fand sich in seiner Wohnung ein Revolver mit 3 Patronen.
Von Interesse sind erhaltene Briefe, welche P. in den
Tagen vor dem öffentlichen Hervortreten seines Wahnes au
die katholische Geistlichkeit richtete.
Ein Brief, vom 15. XII. Kiel, datiert, lautet:
Diener Gottes! Komme jetzt nachmittags recht bald
zu mir ich habe Sachen mit Dir zu sprechen die in das
Gotteshaus nicht passen, weihe Salz, Wasser, Kreide und
Siegellack, 12 Salz. Geld habe ich nicht übrig, sonst
schicke ich es hin. Wo es um die Gerechtigkeit handelt
ist stehlen keine Sünde.
Glaube, eile, zweifle nicht, kommst Du nicht, dann hole
ich Dich, es ist ein Kranker.
Bitte Deinen Bruder vorher um Verzeihung, ich gebe
gern, ich verzeihe gern. Ich habe Dir viel zu sagen und
will mich rein waschen, Du aber sollst mir die Arznei reichen.
Besten Gruß
Ernst P.