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kommen, daher ihrer Natur nach oft verkannt, nicht recht
gedeutet werden und aus dem Grunde seltener zu sein
scheinen, als sie tatsächlich sind. Er meint, daß gerade
diese Fälle, bei denen unter Umständen die Beobachtung
auch der initialen Symptome eine ungemein günstigere sein
würde, über die Frage der Ätiologie sowohl wie der Prog'
uose systematisierter Wahnbildung erst ein eingehenderes
Studium zulasse.
Bezüglich der prognostischen Beurteilung der Paranoia
ist ferner noch zu erwähnen, daß eine oft erstaunenswerte
Dissimulation hei manchen Kranken eine Vortäuschung von
Genesung möglich werden läßt. Für den Querulantenwahn
sinn gilt im wesentlichen hinsichtlich des Ausgangs das für
die chronische Form der Verrücktheit im allgemeinen Ge
sagte. Beim sogenannten induzierten Irresein, d. h. der
Übertragung von Wahnideen und Hallucinationen durch
einen Kranken auf einen Disponierten, wobei unter den
Psychosen die Paranoia die Hauptrolle spielt, „ist prognostisch
in den meisten Fällen der passive Teil, der Zweiterkrankte,
günstiger gestellt, als der erste.“ (S i e m e r 1 i n g).
Im Folgenden habe ich zwei mir von Herrn Gebeimrat
Prof. D r. Siemerling giitigst überlassene Fälle von
Paranoia zu veröffentlichen. Beide gehören der sog. kom
binatorischen Form der Verrücktheit an, d. h. die Wahn
richtung besteht in einer Verbindung von Verfolgungs- mit
Größenideen. Also in Wahnrichtung, ebenso in Wahnfabel
bieten die beiden Fälle nichts Ungewöhnliches, von besonderem
Interesse ist dagegen ihr ungewöhnlicher Ausgang, welcher
erfordert, daß die beiden Krankengeschichten möglichst aus
führlich niedergelegt werden.
Im ersten Falle handelt es sich um den 40 jährigen
Friedrich L., der am 17. I. 06. in die Psychiatrische Klinik
überführt wurde.
I. Anamnese:
Die vom Patienten aufgenommene Anamnese ergibt
Folgendes: Patient ist Holzhändler von Beruf, ist verheiratet,
evangelischer Confession. Von 3 Brüdern sind 2 geisteskrank,
der eine davon ist von jeher „Idiot“ gewesen. Seine Eltern