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Nachdem ich die mir wichtig erscheinenden Punkte aus
der Familienanamnese und den bei allen Kindern fast gleichen
Krankheitsbeginn dargestellt habe, sei es mir gestattet, den
bisherigen Verlauf der Krankheit und den jetzigen Zustand
der noch vier lebenden Brüder kurz zusammenzufassen.
Es handelt sich also um die hei Rüder beschriebenen Paul, Hans,
Otto und Christian. Über die beiden Letzteren hat seitdem Barekmann
noch einmal in seiner Dissertation Kiel 1888 etwas veröffentlicht. Über
Christian finden wir bei Freyse einen weiteren Bericht.
Fall I.
Anamnese: Bei Hans, jetzt 30 Jahre alt, begann die Krankheit
in der oben beschriebenen Weise. Im Jahre 1880 war er ein kräftiger
Knabe, der das vollständige Bild des Xeroderm zeigte. Tumoren fanden
sich damals noch nicht, wenn man von einigen papillären Wucherungen
auf den Konjunktiven absieht. Mit 5 Jahren etwa begannen sich im
Gesicht Geschwüre zu bilden, die teils unter Salbenbehandlung abheilten,
teils jedoch energischer Excision und Auskratzens mit dem scharfen Löffel
bedurften. Nicht viel später entwickelten sich auch Tumoren, die teils
einen durchaus gutartigen Charakter, teils jedoch eine Neigung zu schnellem
Fortschreiten nach der Tiefe, den Seiten und der Oberfläche zu zeigten;
doch waren sie stets scharf begrenzt. Ihr karzinomatöser Charakter wurde
schon früh vom Hausarzte festgestellt. Der Lieblingssitz war die Gegend
der im Gesicht befindlichen Körperöffnungen, Nase, Augenlider, Ohren und
Lippen. Die Schleimhäute waren stets unbeteiligt. Etwa im 12. Lebens
jahre entstanden auf den Händen große Pigmentflecke, die angeblich an
Intensität wechselten. Mit 14 Jahren zog sich der Patient eine Erosion
an der rechten Ohrmuschel zu, die mit Erysipel infiziert wurde. Im An
schluß daran bildete sich ein die Ohrmuschel allmählich perforierendes
Geschwür, daß vom Arzte häufig ausgebrannt und mit Höllenstein geätzt
wurde. Scheinbar unter dem Einfluß dieser Reizungen entwickelte sich
auf der Geschwürsfläche ziemlich schnell ein weicher, mattscher, gut
taubeneigroßer Tumor, der in der Kieler chirurgischen Klinik mehrfach
abgetragen wurde, jedoch beständig recidivierte, so daß man schließlich
zur vollständigen Amputation der Ohrmuschel mit umgebender Kopf- und
Wangenhaut-'genötigt war. Der entstandene Defekt wurde durch Trans
plantation gedeckt. Mit 18 Jahren entwickelte sich an der rechten
Konjunktiva ein Tumor, der auch die Hornhaut in Mitleidenschaft zog.
Er wurde abgetragen und die Wunde heilte gut. Eine histologische
Untersuchung wurde nicht vorgenommen. In den späteren Lebensjahren
kam es noch häufiger zur Tumorenbildung im Gesicht, die sich teils selbst
abstießen, teils abgetragen werden mußten. Die letzten bildeten sich vor
einem Jahre. Seitdem ist Patient dauernd im Hause beschäftigt und dem
Licht wenig ausgesetzt, da er eine Stelle als Schreiber in den Universitäts