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Fall H.
Anamnese: Paul, jetzt 26 Jahre alt, der jüngste der Brüder,
zeigte einen ähnlichen Krankheitsverlauf wie Hans. Als Rüder ihn im
Jahre 1880 sah, war er 5 Monate alt. Er war ein blondes, kräftiges
Kind mit gesunden inneren Organen. Die Haut des Gesichtes und Halses,
der Unterarme und Handrücken war etwas rauher und matter als die des
übrigen Körpers. Sonst war nichts krankhaftes an ihm festzustellen.
Jedoch im zweiten Lebensjahre traten die ersten Krankheitserscheinungen
auf, bestehend in Rötung und Pigmentfleckenbildung. Etwa im 6. Lebens
jahre zeigten sich, nachdem die Krankheit den gleichen Verlauf wie bei
Hans genommen hatte, die ersten Tumoren im Gesicht. Es handelte sich
hier um flache, in die Tiefe fortschreitende und schnell geschwürig zer
fallende Neubildungen, die teils spontan heilten, teils excidiert oder aus
geschabt werden mußten, jedoch häufig rezidivierten. Ein größerer Tumor
der rechten Wange perforierte fast bis zur Mundhöhle, so daß bei der
Operation das ganze Wangenstück mit der Wangenschleimhaut entfernt
werden mußte. Auch hier waren Augenlider, Nasenflügel, Lippen und
Ohrmuschel vorzugsweise ergriffen. Von der Oberlippe mußte die Philtrum
gegend wegen eines Karzinoms keilförmig excidiert werden. Die Narbe
neigte späterhin häufig zur Ulceration. Erst im April dieses Jahres zeigte
sich ein neues Recidiv, das jedoch unter Salben- und Röntgenstrahlen
behandlung mit Hinterlassung einer Lippenrotspalte zur Heilung kam.
Im Jahre 1892 hatte sich an den linken Augenlidern ein ulcerieren-
des Karzinom gebildet, das auf die Bindehaut und den Bulbus überging.
Es mußte schließlich im April 1892 die Enukleation des ganzen Auges
zusammen mit der Bindehaut und den Augenlidrändern vorgenommen
werden. Der Defekt wurde durch Transplantation geschlossen. An der
rechten Ohrmuschel führte Tumorenbildung zum Verlust des hinteren,
oberen Abschnittes und des Ohrläppchens. 1896 bildete sich im linken
äußeren Gehörgang ein kleiner Tumor, der ausgebrannt wurde. Hierbei
wurde angeblich die Ohrmuschel verletzt. Es kam zu einer Phlegmone,
die zu einer Schrumpfung der Ohrmuschel führte. Trotzdem litt die Hör
fähigkeit nicht. Auch an beiden Nasenflügeln führten ulcerierende Tumoren
zu nicht unerheblichen Defekten. An Hals, Händen und Armen kam es
nie zu einer Geschwulstbildung. Vor 7 Jahren bildete sich am Zungen
rande ein bis zu Kirschengröße wachsender Tumor, der jedoch histologisch
als nicht karzinomatös erkannt wurde. Auch auf dem behaarten Kopfe
soll vor 8 Jahren eine haselnußgroße Geschwulst abgetragen worden sein.
Sie war ebenfalls wahrscheinlich nicht bösartigen Charakters.
Im übrigen war Patient dauernd gesund und fühlt sich auch jetzt
munter. Er kann seine Landmannsarbeit gut machen. Soziale Gründe
zwingen ihn die Beschäftigung im Freien, von der er seihst weiß, daß sie
ihm unzuträglich ist, fortzusetzen. Er schützt sich, so gut es geht, durch
bedeckende Kleidung und breitrandige Hüte gegen die Einwirkung der
Lichtstrahlen.