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seits haben wir in der Lunge neben kleineren Geschwülsten,
die scheinbar Metastasen des großen Tumors sind, einen
großen verjauchten Herd, der alle klinischen Erscheinungen
hervorbrachte und zum Exitus führte. Er imponiert so
gewaltig, daß der Gedanke, wir könnten es mit einer
Metastase zu tun haben, zunächst nicht aufkommt. Gerade
in letzter Zeit hat man ja mehr und mehr, seitdem Volk
mann im Jahre 1874 seine ersten derartigen Fälle ver
öffentlichte, das Augenmerk auf die Fälle von multiplem
primären Krebs gerichtet. Eine große Reihe von Krebs
fällen, die zum größten Teile auch die strengen Forderungen
Billroth’s erfüllten, nämlich Vorhandensein verschiedener
Struktur, histogenetische Ableitung vom Mutterboden und
eigene Metastasen, sind seitdem bekannt geworden. Kühne 1 )
hat im Jahre 1901 eine Zusammenstellung von 57 Fällen
primärer multipler Krebse veröffentlicht. Die zahlreichsten
dieser Fälle betreffen entweder Organsysteme, die mitein
ander in entwicklungsgeschichtlichem oder funktionellem
Zusammenhang stehen — eine Tatsache, auf die die An
hänger der Theorie von der embryonalen Keimverlagerung
hingewiesen haben, — oder solche Patienten, die durch
Allgemeinerkrankungen, welche erwiesenermaßen für den
Krebs den Boden vorbereiten, — ich erinnere nur an die
senile Seborrhö, Lupus, Xeroderma pigmentosum, Arsen
intoxikation, Warzen, Polyposis etc. — für die Erkrankung
prädisponiert waren.
Ein Fall von gleichzeitigem primären Carcinom des
Hodens und der Lunge ist bisher nicht beschrieben, dagegen
ist das primäre Lungencarcinom nicht so selten. Hoffmann
zählt unter seinen 857 Krebsfällen 9 primäre Lungenkrebse.
Wir sahen, daß in unserem Falle die Diagnose Krebs nicht
gestellt wurde und müssen es auffallend finden, daß auch
von jenen 9 Lungenkrebsen kein einziger richtig diagnosti-
0 Fall von multiplem primären Krebs des Verdauungstraktus.
Diss. Kiel 1901.