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Verlangsamung der Auffassungsfähigkeit auf. So bleibt der
Zustand mehrere Monate ziemlich unverändert. Dann aber
stellt sich allmählich eine schnell zunehmende Demenz ein,
die von häufigen Erregungszuständen mit Halluzinationen,
meistens ängstlichen Inhalts, begleitet wird; die Patientin bietet
jetzt das Bild der dementen Form der progressiven Paralyse
dar. Dabei leiden die körperlichen Funktionen nicht, die
Ernährung ist eine gute, das Körpergewicht nimmt zu. Ein
paralytischer Anfall mit hinzutretender Sepsis beendet die
Krankheit.
Pathologisch anatomisch finden sich kaum Zeichen
chronischer alkoholischer Veränderungen. Der Gehirnbefund,
besonders die starke Gewichtsabnahme, die Verschmälerung
der Rinde, sowie der mikroskopische Befund sichern die Diag
nose der progressiven Paralyse. Andere differentialdiagnostisch
in Betracht zu ziehende Krankheitszustände (alkoholische
Demenz, senile Demenz, Arteriosklerose), scheinen mir nach
dem klinischen Verlauf und dem Sektionsbefunde nicht in
Frage kommen zu können. Inwieweit die Wirkungen des
Alkohols die Entstehung des Krankheitsbildes verursacht haben,
und welche weiteren Ursachen Vorbedingung gewesen sein
mögen, will ich nicht entscheiden. Jedoch scheint es mir
nicht angängig von einer einfachen Komplikation des chronischen
Alkoholismus mit der progressiven Paralyse bei derartigen
Gehirnerkrankungen zu sprechen, sondern es ist eine unzer
trennliche Wechselwirkung beider Zustände wohl anzunehmen.
Diese innige Vermischung alkoholischer und paralytischer
Symptome soll durch den Begriff der Alkoholparalyse gekenn
zeichnet werden, der demnach zunächst eine Charakteristik
des klinischen Verlaufes gibt, dann aber auch auf die ätio
logischen Beziehungen des chronischen Alkoholismus und der
progressiven Paralyse zu einander in gewissen Krankheits
fällen hindeutet.
Herrn Geheimrat Prof. Dr. Siemerling sage ich für die
freundliche Überlassung der Krankheitsgeschichte und der
Literatur an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank.