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der Umstand, daß 6 Geschwister in jungen Jahren gestorben
sind, ist, wenn auch die Todesursache unbekannt ist, doch
immerhin ein Zeichen dafür, daß die Konstitution der Kinder
eine sehr wenig kräftige und wiederstandsfähige gewesen ist.
Nehmen wir eine Erkrankung tuberkulöser Natur an,
so wäre bei der isolierten Erkrankung des Trigeminus am
ehesten an einen Solitärtuberkel zu denken. Nach W i 1brand
und Saenger könnte derselbe im Verlaufe des ganzen
Stammes seinen Sitz haben, central vom Ganglion Gasseri.
Da aber absolut keine Reiz- oder Lähmungserscheinungen
anderer Hirnnerven vorhanden gewesen sind, ist doch am
ehesten an eine Lokalisation im oder kurz vor dem Ganglion
Gasseri zu denken, da hier der Nerv am meisten isoliert
liegt. Die Reizung der Meningen und somit der Befund der
Lumbalpunktion ist so auch erklärt, da ja ein solitärer Tu
berkel durch seine toxischen Wirkungen auch ohne direktes
Ubergreifen auf die Hirnhäute doch auf diese als Reiz
ein wirkt.
Es ist unser Fall also wieder ein Beispiel dafür, wie
man durch die Alttuberkulinreaktion der Möglichkeit einer be
rechtigten Differentialdiagnose näher kommt, und ist dieser
Versuch zur Stellung einer Differentialdiagnose speziell bei
Hirnaffektionen wohl in vielen Fällen mit voller Berechtigung
anzuraten. In Kürze will ich einen anderen Fall anführen,
in dem in der hiesigen Augenklinik gerade durch die dia
gnostische Alttuberkulinreaktion die tuberkulöse Natur des
Leidens festgestellt wurde.
P., Fritz, 22 Jahre alt, Klempner, aus K.
Aufgenommen den 27. Dezember 1905.
Diagnose: Neuritis retrobulbaris o. s.
Früheres: Patient hat im August 6 Wochen lang
in der medizinischen Klinik gelegen wegen fieberhafter Er
krankung aus unbekannter Ursache. Dauernd Temperaturen
zwischen 38° und 39°, objektiv nichts nachweisbar. Es
wurde damals eine Bronchialdrüsentuberkulose angenommen.
Zuweilen bestanden auch Durchfälle. In der Familie ist
Tuberkulose mehrfach vorgekommen.
Jetziger Zustand; Rechtes Auge; Sl=8/8. Oie Bull=I.