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III. Fall.
Dorothea F., 69 Jahre, Müllersfrau. (J. No. 1905 73).
Anamnese: Patientin hat öfter vorübergehend an Verstopfung ge
litten. Diese ist seit dem Januar andauernd, sodass Stuhlgang nur mit
Kupsthilfe erfolgt. Gleichzeitig bemerkte Patientin eine Geschwust in ihrem
Leib, die ziemlich schnell gewachsen ist, ihr aber keine Schmerzen oder
sonstige Beschwerden verursacht hat. Seit dieser Zeit will Patientin auch
dauernd an Appetitlosigkeit leiden, verspürt schlechten Geschmack im Munde.
Sie hat seit längerer Zeit ziemlich stark abgenommen, wofür sie keinen
Grund gewusst hat. Sie begibt sich zur Operation in die Klinik. Patientin
hat 13 Entbindungen durchgemacht. Vor 20 Jahren Nervenfieber.
11. III. Status: Dem Alter entsprechend aussehende Frau in leid
lichem Ernährungszustand. Lungen und Herz o. B. Puls regelmässig.
Leichte Arteriosclerose. Der Leib ist stark aufgetrieben, sehr starke Diastase
der Recti. Zwischen diesen sieht man unter den papierdünnen Bauchdecken
Dünndarmschlingen sich abzeichnen. Kein freier Erguss nachweisbar. In
der Ileocäcalgegend fühlt man einen doppeltfaustgrossen Tumor. Derselbe
ist nach allen Seiten hin gut beweglich, lässt sich nach oben bis zur Leber
drängen, ohne dass eine Kommunikation nachweisbar wäre. Konsistenz
fest. Oberfläche nach oben hin glatt, nach unten leichthöckerig. Keine
Druckempfindlichkeit. Bei Aufblähung des Dickdarms liegt der Tumor
nach aussen von demselben. Doch scheint ein Teil mit dem Dickdarm
in Zusammenhang zu stehen. Urinsekretion reichlich, Urin klar.
Untersuchung per rectum und vaginam o. B.
13. III. Operation in Chloroformnarkose. Hautschnitt in der Längs
richtung über die Geschwulst. Man geht durch den Rectus in die freie
Bauchhöhle. Der Dickdarm liegt leer vor. Nach oben, aussen und hinten
von ihm liegt eine grosse, retroperitoneale Geschwulst. Starker Gefäss-
reichtum. Einschneiden des hinteren Peritoneums, Loslösung desselben
von der Geschwulst und Fixierung des abgelösten Randes an die Bauch-
wunde mit Klammern. Durch diesen so von der Peritonealhöhle abge
schlossenen Raum wird der Tumor unter mehrfacher Ligierung sich
spannender Stränge und Durchtrennung herausgewälzt. Der doppelt faust
grosse Tumor ist ziemlich fest, sehr gefässreich, zeigt glatte Oberfläche.
Ihm lagert im oberen Teil mit breiter Fläche untrennbar verwachsen die
vergrösserte, sonst wenig veränderte Niere auf. Der ganze Tumor wird
unter fortgesetzten Unterbindungen isoliert und so allmählich herausgeschält.
Einlegen eines Jodoformtampons in das Bett des Tumors. Vernähung des
vorderen parietalen Peritoneums von oben und unten bis auf eine Lücke
für den Tampon. Der Rand dieser Lücken wird mit dem abgelösten Rand
des hinteren parietalen Peritoneums vereinigt, so dass der Jodoformgaze
tampon ausserhalb des Peritoneums nach aussen gelangt. Schluss der
Bauchwunde bis auf die Stelle für den Tampon. Steriler Verband. Nichts