Full text: Über hysterische Psychosen im Kindesalter

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Erziehung. Alles hat sich im Hause um das Kind gedreht, 
man hat ihm in jeder Weise den Willen gethan, es ist 
möglich, daß dieser Umstand allmählich eine derartige 
Willensschwäche und Energielosigkeit bei dem Kinde herbei 
geführt hat, daß der Ausbruch der Hysterie kolossal erleichtert 
wurde. Sicheres läßt sich jedoch darüber nicht sagen. 
Die Diagnose der Hysterie, die in unserm Falle bei 
den ausgesprochenen Symptomen und dem charakteristischen 
Verlaufe leicht zu stellen war, bietet mitunter große 
Schwierigkeiten. 
Schon von der Hysterie bei Erwachsenen sagt Charcot: ‘) 
„L’hysterie imite presque toutes les maladies qui arrivent 
au genre humain; car, dans quelque partie du corps qu'elle 
se rencontre, eile produit aussitöt les symptömes qui sont 
propres ä cette partie. Et si le medecin n’a pas beaucoup 
de sagacite et d’experience, il se trompera aisement et attri- 
buera ä une maladie essentielle et propre ä teile ou teile 
partie des symptömes qui dependent uniquement de l’affection 
hysterique“. 
Und bei Kindern ist dieselbe noch viel schwieriger, 
da gerade die die Diagnose erleichternden hysterischen 
Stigmata bei ihnen oft fehlen, da typische Anfälle relativ 
selten Vorkommen, und da vor allen Dingen bei Kindern 
sich sehr oft nur ein einziges Symptom zeigt. Dieses Eiuzel- 
symptom dann sofort als hysterisch zu erkennen ist mit 
unter garnicht so leicht. 
Diagnostische Irrtümer inbezug auf die Hysterie können 
in zweierlei Richtung Vorkommen: Entweder kann man ein 
organisches Leiden — besonders des Nervensystems — 
fälschlich für Hysterie halten; zweitens kann man umgekehrt 
ein solches organisches Leiden annehmen, während in Wirk 
lichkeit eine Hysterie vorhanden ist. Und ein solcher Irrtum 
ist sehr leicdit zu erklären, da die Hysterie sich oft mit andern 
Atfektiouen und auch mit organischen Erkrankungen des 
Nervensystems sehr oft verbindet. 
*) Charcot: (Evres completes. Tome III. Paris 1890.
	        
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