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Daun läßt er sich des Weiteien über die Nachahmung
aus, und sie spielt auch entschieden, gerade hei Kindern
eine große Rolle. Schon Briquet 1 ) wies darauf hin, daß
der bloße Anblick eines hysterischen Anfalls genüge, um
bei Andern einen typischen hysterischen Anfall hervorzu
rufen, und in der That giebt die Litteratur dafür unzählige
Beispiele. Ich will nur an die sogenannten hysterischen
Epidemien erinnern, wie sie in Schulen, Pensionaten und Kran
kenhäusern oft genug beobachtet sind, und will ein Beispiel da
für anführen, das ich der schon erwähnten Dissertation von
Geisler") entnehme: Eine Arbeiterin bekam auf die Nach
richt hin, daß ihre Eltern durch eine Feuersbrunst ruiniert
worden wären, hysterische Krämpfe mit Opisthotonus,
Herumschleudern des Körpers, Drehbewegungen u. s. w.
Bald darauf erkrankten zwei Freundinnen, die während des
Anfalls bei ihr auf demselben Zimmer waren, in derselben
Weise, und einige Tage später 6 weitere, die mit den andern
auf demselben Schlafsaal schliefen.
Daß man diese Epidemie auf Hysterie, hervorgerufen
durch Nachahmung, beziehen muß, ist unzweifelhaft.
Eine weitere Gelegenheitsursache für die Entstehung
der Hysterie bilden — und auch wieder gerade bei Kindern —
sehr häufig Gemütsbewegungen, Furcht, Schrecken,
beängstigende Träume und dergl. Ein Kind z. B., das
nachts aus irgend einem Grunde aufwacht, hält irgend einen
Gegenstand im Dunkeln für eine drohende Erscheinung;
es bekommt große Angst, und die Hysterie bricht aus. Es
braucht nicht einmal eine sehr heftige und plötzliche Ge
mütsbewegung, ein Shok, zu sein; eine Folge an sich zwar
geringer, aber lange Zeit andauernder und sich immer wieder
von Neuem wiederholender psychischer Alterationen können
dieselbe Wirkung haben: Alles, was ein Gemüt bedrücken
und verstimmen kann, Sorge, Kummer, getäuschte Erwar- * 2
‘) Briquet: a. a. 0.
2 ) Geisler: a. a. 0.