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drerseits durch geistige Überbürdung die psychischen Kräfte
derselben überanstrengt und ihre geistige Entwicklung verfrüht,
leider nur zu oft den Grund zu jener reizbaren Schwäche
des Nervensystems legt, auf deren Boden sich später die
Hysterie ausbildet.
Ähnlich soll nach der Ansicht vieler die Onanie
wirken. Und mag sie auch durch Überreizung des Nerven
systems eine Entwicklung der Hysterie begünstigen, so kann
inan jedoch meiner Meinung nach ihr allein nicht die Schuld
zuschieben, sie wird vielmehr nur als veranlassendes Moment
bei einer schon vorhandenen Prädisposition in Betracht
kommen. Diese Ansicht vertritt auch H e n o c h *) in seinem
Buche über Kinderkrankheiten.
Und was die körperlichen Momente anbetrifft,
so ist es klar, daß, was den Körper im allgemeinen schwächt
und die Gesamtkoustitution schädigt, auch die Widerstands
kraft des Nervensystems herabsetzt. Daher sehen wir so
häufig im Anschluß an irgend welche, u. bes. konstitutionelle
Erkrankungen eine Hysterie sich entwickeln. Ob aber diese
Erkrankungen prädisponierend in dem Sinne wirken oder
nur eine schon vorhandene Hysterie in die Erscheinung
treten lassen, das lasse ich dahingestellt. Jedenfalls thun
sie Beides.
Ist nun aus irgend einem der angeführten Gründe
eine Prädisposition für die Hysterie geschaffen, so bedarf
es nur einer Gelegenheitsursache, um die schlummernde
Krankheit zu wecken.
Diese „agents provocateurs“, wie Chareot sie nennt,
hat G ui non * 2 ) in einer ausführlichen Arbeit einer näheren
Betrachtung unterzogen.
Er spricht da zunächst über eine falsche Erziehung,
doch will iclf'flarauf nicht mehr eingehen, ieh sagte ja schon,
daß sie jedenfalls ebensogut prädisponierend wie veranlassend
wirken könne.
') Henoch: a. a. O.
2 ) Les agents provocateurs de l'bysterie. Progres medical. 1899.