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Dislokation ad axin deutlich ab, die Winkelbildung ist eine außer
ordentlich geringe. Daneben aber finden wir auf diesem Bilde
eine keilförmige, hellere Zone, welche den Raum zwischen unterem
Rand des Kopfes und innerer Kontur des Gelenkschaftes ausfüllt.
Diese Schattierung beruht offenbar auf Knochenneubildung;
es scheinen die Zug- und Druckkräfte, die bei der guten Funktion
auf den Arm wirken, die Knochenapposition in der Weise zu be
einflussen, daß der Winkel zwischen Schaft und Kopf sich immer
mehr einer Geraden nähert, bis der physiologische Grad der
Winkelstellung erreicht sein wird.
Bei einer epikritischen Betrachtung des Falles darf die Frage
nicht unerwogen bleiben, wie das 1. Röntgenbild mit seinen an
scheinend normalen Knochenformen zustande kam. Bei dieser
Art Fraktur ist die einfache Aufnahme von vorn nach hinten nicht
im Stande, ein klares Bild über die Dislokation zu geben. Anderer
seits beweist der vorliegende Fall, daß bei extremer Außenrotation
des Schaftes die pathologischen Verhältnisse so klar auf die
Röntgenplatte projiziert werden, daß der für eine geeignete Therapie
einzuschlagende Weg nunmehr vorgezeichnet ist.
Die mitgeteilte Beobachtung ergibt, daß das Röntgenverfahren
nicht unbedingt nützliche, direkt zu verwertende Resultate ermöglicht.
Es ist schon vielfach, namentlich von Herrn Geheimrat Helferich
wiederholt darauf hingewiesen worden, daß zur Vermeidung von
Irrtümern die Röntgenaufnahmen mit Überlegung, in verschiedenen
Richtungen gemacht werden müssen, und daß die Beurteilung des
Röntgenbildes auf Grund erforderlicher Sachkenntnis sowie unter
Vergleich mit der gesunden Seite geschehen muß.
In dem vorliegenden Falle hätte man sich nicht mit der ein
fachen Aufnahme von vorn nach hinten bei Rückenlage des Pa
tienten begnügen dürfen; bei der in Betracht zu ziehenden Dis
lokation der Humerusdiaphyse nach innen oben mußte die Auf
nahme so geschehen (wie es später auch geschah), daß die Ver
schiebung der Bruchstücke erkannt werden konnte.
Die Röntgenmethode ist eben ein Untersuchungsverfahren,
welches Studium erfordert. Daß der prakt. Arzt sich mit der Me
thode vertraut macht und schwierigere Frakturfälle zur Röntgen
untersuchung bringt, ist eine Notwendigkeit. Lernen und Üben
sind auch hier die Vorbedingungen eines guten Erfolges.