Full text: Ein Fall von Melancholia gravis mit suicidalem Trieb

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Sehr dünnes Schädeldach. Starke Schlängelung Arachnoidal- 
gefäße. Drei Operationswunden der Bauchdecken. 
Ep ik r is is. 
Ich wende mich nun zur kritischen Betrachtung des 
mitgeteilten Falles. 
Wenn wir das Bild betrachten, welches die Kranke 
sowohl während ihres Aufenthaltes bei den Verwandten als 
auch zu der Zeit ihrer Beobachtung in der hiesigen Nerven- 
klinik bietet, so zeigt sich als hauptsächlichster Grundton 
desselben die „andauernd traurige Verstimmung, in der sich 
die Kranke befindet. Im Vordergrund neben der traurigen 
Verstimmung stehen die ausgeprägten Unwürdigkeits-Ideen. 
Die Patientin wiederholt dieselbe fast bei allen Visiten 
wochenlang hindurch in monotoner Weise, manchmal auch 
in Variationen; aber immer kehrt sie in einem circulus 
vitiosus darauf zurück. Stereotypie, d. h. die triebhafte 
Neigung Geisteskranker zu zweckloser Wiederholung der 
selben Willensäußerung, und sinnloses Widerstreben gegen 
jede äußere Einwirkung (Negativismus), wie sie mit Manieren 
bei der sogenannten „Dementia praecox“ auftreten, sind in 
unserem Falle nicht zur Beobachtung gelangt, sodaß also 
die Diagnose „Dementia praecox“ auszuschließen ist. Irgend 
welche Lähmungserscheinungen und weitergehende Störungen 
der Motilität sind bei unserer Kranken nicht nachweisbar, 
sodaß auch die Diagnose „Dementia paralytica“ nicht aufrecht 
erhalten werden kann. Bewußtseinsstörungen und Deserien- 
tiertheit finden sich gleichfalls nicht, die Kranke weiß genau, 
was mit ihr geschieht, wo sie sich befindet, was sie selbst 
tut, sodaß von „paranoischen Zuständen“ ebenfalls nicht die 
Rede sein kann. Man geht meiner Ansicht daher nicht 
fehl, wenn man das Krankheitsbild unter diejenige Gruppe 
von Geistesstörungen stellt, die die Psychiater mit der Be 
zeichnung „Melancholie“ belegt haben. Hallucinationen be 
ängstigender Natur spielen in uuserm Falle eine untergeord 
nete Rolle, die Kranke hört weder Stimmen, die sie bei 
ihrem Namen rufen oder ihre eigenen Empfindungen 
wiedergeben, nur könnte man die einmal auftretende Er-
	        
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