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Alle diese Tatsachen beweisen nach Bechterews
Ansicht, daß bei melancholischen Kranken örtliche und
zeitweise Störungen der Circulation in der Haut Vorkommen,
die sich subjektiv durch Kältegefühl in diesem oder jenem
Körperteile, objektiv durch verschiedene Intensität der Haut
färbung und unregelmäßige Erwärmung äußert.
In seiner Abhandlung: „Uber Albuminurie und Pro-
peptonurie bei Psychosen“ erwähnt M. Koppen ferner,
daß nicht selten bei Geistesstörungen Auftreten von Eiweiß
im Harn nachzuweisen ist und er will dasselbe in mehreren
Fällen von Melancholie ebenfalls gefunden habet).
Auf Grund der im Vorhergehenden aufgeführten Symp
tome läßt sich die Melancholie ungefähr folgendermaßen
definieren;
Die Melancholie ist eine Geistesstörung. Sie hat als
Hauptsymptom eine anhaltende traurige Verstimmung. Es
spielen bei ihr Wahnideen im Sinne des Kleinheitswahns
und der Versündigung eine große Rolle. Diese Wahnideen
entspringen der krankhaften Depression. Schlaflosigkeit ist
in den meisten Fällen von Melancholie nachweisbar.
Ich wende mich nun zu den mit der Melancholie
differential-diagnostisch in Betracht kommenden anderen
Formen von Geistesstörungen. Da kann die Unterscheidung
der Melancholie von der sogenannten „Dementia praecox“
oft erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Aber, wie Krae-
pelin schon hin weist, sprechen für „Dementia praecox“ vor
Allem der Mangel an tieferen Gemütsregungen, die Stumpf
heit und Gleichgültigkeit der Außenwelt gegenüber bei guter
Auffassungsfähigkeit, sodann das Auftreten von Negativismus,
Befehls-Automatic, Stereotypie und Manieren.
Desgleichen kann man auch oft Schwierigkeiten in der
Unterscheidung von Melancholie und der „Dementia para-
lytica“ begegnen, da auch bei dieser Geistesstörung ebenso
wie bei Melancholie oft traurige Verstimmung, Denkhemmung,
Angst beobachtet ist. Allein, wenn ein Nachweis körper
licher Lähmungserscheinungen, sei es apoplektischer, sei es
epileptischer Form, erbracht werden kann, so kann die Diag
nose „Melancholie“ nicht mehr aufrecht erhalten werden,