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Belastung. Es ist demnach die Gefahr des Selbstmordes
bei allen mit Angstaffekten verlaufenden Fällen von Melan
cholie eine außerordentlich große, wenn auch zugegeben
werden muß, daß auch bei den an „Melancholia cum stupore
oder attonita“ erkrankten Personen Selbstmordversuche nicht
ausgeschlossen sind. Oft erlebt man die traurigsten Über
raschungen bei willensstarken Individuen, die ihre Angst vor
dem Arzt geschickt zu verbergen wissen. Mail kann manchmal
geradezu von einer heiteren Maske der Melancholiker sprechen.
So wird uns von einem Fall erzählt, daß eine Kranke mit
stark ausgeprägtem Angstgefühl, um ihre Wärterin zu täu
schen, das Lied sang: ,,Denke Dir, mein Liebchen etc.“ und
sich dann plötzlich eine Häckelnadel in die Augen stieß,
die ihren Tod herbeiführte. Umgekehrt erlebt man auch
bisweilen, daß Melancholiker, die früher stets regungslos
dagesessen haben und das Bild der Melancholia cum stu
pore boten, plötzlich in die heftigsten Angstzustände ver
setzt wurden, und da Hülfe nicht rechtzeitig zur Stelle war,
irgend etwas in ihrer Nähe ergriffen und nach kurzer Zeit
an Selbstmord endeten. Daß auch durch Inanition infolge
hartnäckiger Nahrungsverweigerung Todesfälle bei Melan
cholikern beobachtet sind, soll an dieser Stelle noch erwähnt
sein. Oft halten Wahnvorstellungen die Kranken von der
Aufnahme der Nahrung ab. Sie weisen die Nahrung ab,
weil sie glauben, daß sie zu schlecht sind, weil sie keines
Stückes Brot wert seien.
Sehen wir ganz ab von den verschiedenen Formen der
Melancholie, so bietet uns diese Geisteserkrankung meist ein
weiteres charakteristisches Symptom, das nicht außer Acht
gelassen werden darf. Es ist damit diu große Schlaflosigkeit
gemeint, von der diese Kranken befallen sind. Genaue
statistische Aufzeichnungen haben ergeben, daß in 75 pCt.
aller beobachteten Fälle von Melancholie Schlaflosigkeit
nachzuweisen war. Gelingt es einem solchen Kranken, in
den Schlaf zu kommen, so ist derselbe meist ein unruhiger
zu nennen, das geringste Geräusch genügt, um ihn aus dem
Schlaf zu stören.
Bezüglich des Zustandes der Körpertemperatur kann