Full text: Ein Fall von multipler Sklerose mit ausgesprochenen psychischen Störungen

Multiple Sklerose kann bei weiter Fassung des Begriffs 
das Endprodukt pathogenetisch gänzlich verschiedener Prozesse 
sein, allein unter der Voraussetzung betrachtet, daß dieselben eine 
herdförmige Erkrankung des Parenchyms verursachen. 
In derselben Weise wie Bindegewebsnarben der Haut dem 
Dermatologen als Ausdruck früher stattgehabter Verletzungen 
oder geschwüriger Affektionen imponieren können, muß auch 
der Neurologe die verschiedenartigen Erkrankungen, die zur Ent 
wicklung disseminierter Herde in Hirn und Rückenmark führen, 
nach ihrer Pathogenese sondern. So sind jetzt denn auch schon 
mehrere aetiologisch und histogenetisch grundverschiedene Formen 
der multiplen Sklerose im weiteren Sinne bekannt. Diese lassen 
sich nun zunächst einteilen in Prozesse, die durch direkte Ein 
wirkung exogener Momente entstehen und zu multipler Herd 
degeneration oder Herdentzündung führen, andererseits in ein 
pathogenetisch geschlossenes Krankheitsbild, dessen Grundursache 
keine bekannte äußere Schädlichkeit, sondern mit größter Wahr 
scheinlichkeit eine angeborene abnorme Disposition bildet. 
Zu den Erkrankungen, bei denen im Anschluß an multiple 
Herddegenerationen und -Entzündungen inselförmig zerstreute, 
hauptsächlich durch Neubildung von Neurogliafasern gebildete 
Narben entstehen, gehören alle Prozesse, welche entweder durch 
primäre Gefäßerkrankungen, namentlich luetischen oder arterio 
sklerotischen Charakters, oder durch disseminierte Myelitiden und 
Encephalomyelitiden toxisch infektiöser Form eine Schädigung 
des nervösen Gewebes zur Folge haben. 
Im scharfen Gegensätze zu diesen insgesamt seltenen 
Prozessen, deren histologisches Endprodukt eine „sekundäre 
multiple Sklerose“ ist (Ziegler, Schmaus), steht die primäre 
multiple Sklerose, eine relativ häufigere, wohl auf kongenitalen 
Entwicklungsstörungen beruhende Erkrankung (Müller), die sich
	        
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