10
Frau zwischen den einzelnen Messungen gar nicht bewegt worden sei.
Wegen dieses Punktes fällt die Beurteilung der Brauchbarkeit der
Methode mit der der nächstfolgenden zusammen.
Ein neues Prinzip in die Beckenmessung brachten Neu mann
und Ehrenfest (3) im Jahre 1900, das Prinzip der Parallelverschie
bung. Sie gingen von folgendem mathematischen Grundsatz aus: zieht
man parallel zu einer geraden Linie eine andere genau so lange Linie,
so sind die Abstände je zweier sich entsprechender Endpunkte der
beiden Linien einander gleich. Mit einem von den genannten Autoren
konstruierten Instrumente, welches sie Pelvigraph genannt haben,
projiziert man die Endpunkte der zu messenden Beckendurchmesser,
z. B. des geraden Durchmessers, auf eine am unteren Ende des Unter
suchungstisches vertikal angebrachte Zeichentafel. Die Frau muß
dabei ganz genau mit ihrer Längsachse in der Längsachse des Tisches
liegen und darf, um die Exaktheit der Messung nicht illusorisch zu
machen, sich während der Untersuchung gar nicht bewegen. Das eine
Ende des Instrumentes wird per vaginam an die zu bestimmenden
Punkte geführt, das andere Ende trägt einen Zeichenstift und kurz
davor eine Wasserwage. Beide Teile des Instrumentes sind in der
Mitte durch feststellbare Gelenke miteinander verbunden. Während
in der Vagina das eine Ende von dem einen Meßpunkte zum anderen
geführt wird, kann durch die angebrachte Wasserwage kontrolliert
werden, daß das ganze Instrument parallel seiner ersten Haltung
verschoben wird. Der Schreibstift am äußeren Ende des Instrumentes
notiert dann auf der vertikalen Tafel genau das Maß der Verschiebung.
So kann man alle Durchmesser der Becken und alle Punkte auf
denselben auf die Tafel herausprojizieren, durch entsprechende Lage
rung der Frau auch die queren Durchmesser, und sich so ein an
schauliches Bild vom Inneren des Beckens entwerfen. Um dabei
unnötige Spannung der Weichteile zu vermeiden, kann das innere
stabförmige Ende durch verschiedene, zweckmäßig geformte, gleich
lange Stäbe ersetzt werden.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß unter den günstigen Verhältnissen
einer Klinik mit den beiden letzteren Methoden gute Erfolge erzielt
werden können. Bedingung dafür sind aber präzise Ausführung der
nicht sehr einfachen Instrumente, große Übung in seiner Handhabung,
bei der letzten Methode auch geschickte Assistenz und genaue Ausrich
tung der Frau und der Tafel, und bei beiden absolute Ruhelage der Frau.
Besonders letzteres dürfte nicht leicht zu erreichen sein; schon bei der
schonendsten Untersuchung der Conjugata diagonalis mit der Hand sind
manche Frauen recht ungebärdig. Die Exaktheit der Methoden, »welche
dem Prinzipe nach mit mathematischer Genauigkeit arbeiten«, hängt doch
von zu vielen Dingen ab, als daß man ihnen rückhaltlos trauen dürfte.
Auch hier fehlen statistische Angaben, welche die Empfehlung der
Methoden unterstützen könnten. In der Literatur fehlen Angaben, daß
sich diese Verfahren an anderen Kliniken eingebürgert haben. Vor
dem Skutsch’schen Verfahren dürften sie kaum einen Vorzug haben.