I )ie Entscheidung, wie weit der chronische Alkohol
mißbrauch eine Rolle in der Ätiologie der Psychosen spielt, ist,
wenn auch nachgewiesenermaßen schon vor dem ersten Auf
treten der Geistesstörung Abusus bestanden hat, nicht leicht,
namentlich, wie Meyer 1 ) hervorhebt, in dem Sinne, ob die
bestehende Psychose eine eigentlich alkoholische ist, d. h. der
Alkoholwirkung ausschließlich ihre Entwicklung verdankt, so-
daß sie voraussichtlich ohne dieselbe nicht zur Entwicklung
gekommen wäre.
Ohne weiteres jedoch kann man eine Psychose, die in
Form eines Delirium tremens, der Paranoia acuta (Hallucinose)
oder des isolierten Eifersuchtswahns bei einem notorischen
Trinker in typischer Weise zur Beobachtung kommt, als
alkoholische Geisteskrankheit ansprechen.
Welch wichtige Rolle unter den Giften, die Geistes
störungen überhaupt zu erzeugen im Stande sind, der Alkohol
einnimmt, hebt Kraepelin 2 ) in seinem Lehrbuch hervor, in
dem er die Häufigkeit, mit welcher der Mißbrauch dieses
Genußmittels zur Aufnahme in die Irrenanstalt führt, je nach
den besonderen Verhältnissen auf 10 bis 30, ja 40 °/o aller
Psychosen überhaupt veranschlagt. Er bezeichnet als die
psychischen Störungen infolge des Alkoholmißbrauchs außer dem
') Meyer, Uber akute und chronische Alkoholpsychosen und über
die ätiologische Bedeutung des chronischen Alkohomißbrauohs bei der Ent
stehung geistiger Störungen überhaupt. Archiv für Psychiatrie. Bd. 38 Heft 2.
2 ) Kraepelin, Lehrbuch der Psychiatrie, 6. Aull.