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liehen Beweglichkeit beschränkt. Das Geschoß hatte keine
großen Widerstände y,u überwinden gehabt, bis es an den
Nerven kam und muß mit seiner höchsten Kuppe den
Tangentialpunkt der Peripherie des Nerven getroffen haben.
Dafür spricht auch der Umstand, daß die Teile zu beiden
Seiten des Spaltes dem Auge völlig gleich erschienen, der
Nerv also halbiert war. Auch Quetschungserscheinungen
oder Blutung in die Nervenscheide war nicht zu sehen, die
beiden Hälften lagen völlig glatt aneinander, so daß keine
großen anatomischen Zerstörungen, abgesehen von der
Trennung der Faserbündel, vorhanden sein konnten, dafür
spricht ja auch die schnelle Restitution sämtlicher Funk
tionen des Nerven. Die außerordentlichen Schmerzen des
Pat. sind neben der Läsion auf die doch jedenfalls nicht
unbedeutende Zerrung und Dehnung des Nerven zurück
zuführen.
Aus dem beschriebenen Fall ersehen wir, daß unter
gewissen Verhältnissen durch Friedensgeschosse genau die
selben Verletzungen der Nerven gesetzt werden können, wie
durch Kriegmunition, und daß man bei allen Friedensschuß
verletzungen auch immer die Mitverletzung des Nerven
genau so in Betracht ziehen muß wie im Kriege.
Ein interessanter Nebenbefund mag noch erwähnt
werden. In der Einschußöffnung an der Trochlea fanden
sich einzelne Stofffasern, die offenbar infektiöse Keime in
die Wunde und das Gelenk getragen hatten, dafür spricht
jedenfalls die flockige Flüssigkeit, die sich aus dem Gelenk
entleerte. Fieber trat jedoch nicht auf, so daß auch hier
wieder der Beweis erbracht ist, daß die mitgerissenen Kleider
fetzen wohl infektiöse Keime in die Wunde bringen können,
dieselben jedoch so geringe Virulenz besitzen, daß der
Körper sich ihrer erwehren kann, und der alte Satz be
stehen bleibt: Jede Schußwunde ist zunächst als steril zu be
trachten.