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die Nervenschußverletzungen im Kriege und die angeführten
Beispiele waren größtenteils der Kriegschirurgie entlehnt,
wie denn auch die Schußverletzungen überhaupt immer
eine Domäne des Kriegschirurgen bleiben werden.
Diesem reichlichen Material stehen die Schußverletzungen
im Frieden mit einer sehr bescheidenen Anzahl von Fällen
gegenüber und namentlich Nervenschußverletzungen gehören
im Frieden zu den Seltenheiten.
Begründet ist diese Tatsache durch zwei Punkte, einmal
die schon angeführte geringe Zahl der sogenannten Friedens
verletzungen und zweitens die verschiedenartige Wirkung
der Kriegs- und Friedens-Geschosse.
Die Wirkung eines jeden Geschosses ist abhängig von
der Rasanz oder Durchschlagskraft und der Form und Härte
des Geschosses.
Unser Infanteriegeschoß ist hart, spitz von verhältnis
mäßig kleinem Kaliber und besitzt eine große Rasanz. Die.
Folge ist eine glatte Durchbohrung sämtlicher getroffener
Gewebe; bei Nervengewebe vor allem die erwähnten knopf
lochförmigen Spalten im Nerven. Die Durchschlagskraft
der Friedenswaffe ist weit geringer, das Geschoß nicht spitz
und kein Mantel-, sondern ein Weichblei-Geschoß; daher
sind die Wunden meistens nicht so glatt und nicht so tief,
letzteres hängt natürlich von der Entfernung ab, aus welcher
der Schuß abgegeben wurde. Eine große Abweichung zeigen
aber die Gefäß- und Nervenschußverletzungen. Meistens
weichen die Gefäße und Nerven dem runden Geschoß aus
oder sie werden bei mattem Geschoß gedehnt und das
Geschoß bleibt in ihrer Nähe liegen. Kann der Nerv aber
nicht ausweichen und hat das Geschoß noch Kraft, so wird
er meistens in seiner ganzen Dicke durchrissen. Zu schlitz
förmigen Durchbohrungen kommt es äußerst selten, daß
aber gelegentlich doch eine derartige Verwundung vorkommt,
das mag uns ein Fall von schlitzförmiger Durchlöcherung
des Nervus ulnaris am Epicondylus raedialis lehren, der
von 9. XI. 05—IG. II. 06 auf der chirurgischen Uni
versitäts-Klinik des Herrn Geh. Rat. Prof. Dr. Helfer ich
behandelt wurde.