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Das Hauptargument, welches St ranz gegen die juristisch
technische Notwendigkeit des Wechselprotestes anführt, nämlich;
„die Möglichkeit des Protesterlasses“ ist bereits von Cohn 12 )
mit dem Hinweis darauf entkräftet worden, daß „die Möglichkeit
„der Ausnahme noch keineswegs die Schädlichkeit der Regel beweise.
„Sei doch auch die Präsentation erlaßbar, und könne nicht sogar
„die ganze Regreßpflicht den Indossanten erlassen werden?“ Auch
darin hat Cohn Recht, daß die Tatsache, ob eine Rechtsnorm
dispositiver oder absoluter Natur ist, noch nichts gegen die Norm
an sich beweist.
In der Tat: wenn „juristisch-technisch“ notwendig gleich
„absolut notwendig“ ist, wo giebt es dann juristisch-technisch
notwendige Rechtsnormen r Jedes Gesetz ist nur relativ notwendig
und diese Notwendigkeit folgt aus dem Zweck des Gesetzes.
Es fragt sich also lediglich, ob die Beibehaltung des Protest
erlasses als Ausnahme auch fernerhin der ratio legis entspricht:
dann ist auch der Protesterlaß juristisch-technisch notwendig!
Demnach läuft der Stranz’sche Nachweis, daß der Protest
juristisch-technisch nicht notwendig sei, auf die Feststellung der
beiden an sich ganz unbeweislichen Tatsachen hinaus, daß der
Protest seinem Wesen nach Beweismittel und daß er in den
Augen der meisten Gesetzgeber nicht absolut notwendig ist.
Ebensowenig ist der Beweis für die Entbehrlichkeit des
Protestes für erbracht zu halten, wenn der Wechselverkehr anderer
Staaten beim Mangel des Protestes nicht leidet; vor allem beweist
England nichts: Hat doch schon T re i t schk e 13 14 ) -— gewiß ein
begeisterter Verehrer des englischen Wechselrechts! •— zugegeben,
daß „bei der Eigentümlichkeit unseres formellen Wechselrechts
„und Wechselprocesses, welchen die Engländer gar nicht kennen,
„von unmittelbarer Anwendung und eigentlicher Befolgung der
„von ihnen angenommenen Grundsätze bei uns in vielen Stücken
„nicht die Rede sein kann.“
Auch Pappenheims 1J ) Charakteristik des englischen
,s ) a. a. O. S. 19.
lä ) Deutsche Bearbeitung v. Story, Engl.-Amerikan. W. R. 1845. Vorrede.
14 ) Goldschmidt’s Zeitschrift f. Handels-R. Bd, 28, S. 546.