Full text: Untersuchungen über das elektromotorische Verhalten der Netzhaut bei Warmblütern

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Abgesehen von dem Typus des Ablaufes stimmt das Verhalten der 
Actionsströme bei allen untersuchten Nachtvögeln noch in einem weiteren 
Punkte überein, dessen Beachtung im Zusammenhang mit den im folgenden 
Abschnitt zu besprechenden Erregbarkeitsverhältnissen der Netzhaut von 
besonderem theoretischem Interesse ist. 
Die Augen der Nachtraubvögel nämlich, deren fast ausschliesslich Stäbchen 
und kaum Zapfen enthaltende Netzhäute nach längerem Dunkelaufenthalt 
tiefpurpurroth durch massenhaft angehäuften Sehpurpur aussehen, sind einer 
ausgiebigen Dunkeladaptation fähig, die aus der ganz erheblichen Zunahme 
der Actionsstromwerthe nach längerem Dunkelaufenthalte zu erschliessen ist. 
Ermüdet man z. B. die Netzhaut durch ziemlich intensive und länger 
fortgesetzte Belichtung und beobachtet darauf die bei Lichtreizung auftretenden 
Actionsströme, so zeigt sich, dass schwache Reize jetzt überhaupt keine 
Reaction wachzurufen vermögen und dass bei starker Reizung nur relativ 
geringe Ausschläge der Nadel eintreten. Gönnt man jetzt der Netzhaut 
durch 10 Minuten langes Aussetzen der Lichtreizungen Zeit zur Dunkel 
adaptation und zur Regeneration des vorher durch Ausbleichung stark re- 
ducirten Sehpurpurvorrates, so reagirt sie bereits auf schwaches Licht mit 
recht kräftigen Strömen, und stärkeres Reizen lenkt die Nadel mit grosser 
Vehemenz so erheblich ab, dass der Reflex des Galvanometerspiegels über 
das Ende der Scala hinauseilt. Die in der Zunahme der photoelektrischen 
Reaction sich kennzeichnende Empfindlichkeitssteigerung der Netzhaut kann 
in ganz ausserordentlichem Maasse (ca. um das lOOfache) stattfinden, und 
es scheint, dass der Schwellenwerth des Lichtes, bei dem überhaupt eine 
minimale Reaction sich bemerkbar macht, wohl von geringerer Grössen 
ordnung ist als derjenige, welcher das dunkeladaptirte menschliche Auge 
zur Auslösung einer Lichtempfindung zu veranlassen vermag. 
Die Fähigkeit der Dunkeladaptation ist den Sehpurpur enthaltenden 
Stäbchennetzhäuten in exquisitem Maasse eigenthümlich und unterscheidet 
diese typisch von den Zapfennetzhäuten der Tagvögel, welche einer durch 
Zunahme der Actionsströme gekennzeicheten Empfindlichkeitssteigerung bei 
Dunkelaufenthalt nur in minimalem Maasse fähig sind. Wollte man die 
gleichen Stromwerthe, welche das gut ausgeruhte Auge der Tagvögel bei 
intensiver Reizung gab, unter ungeänderten Widerstands Verhältnissen im 
äusseren Stromkreis von den dunkeladaptirten Augen der Nachtvögel erzielen, 
so mussten sehr schwache Lichtreize applicirt werden, andernfalls erhielt 
man Ströme, durch welche der Galvanometerindex weit aus der Scala ge 
trieben wurde. Man wird kaum mit der Annahme fehlgehen, dass die 
Sehpurpurregeneration für die Sensibilisirung der Netzhaut wesentlich ist, 
welche in der Dunkeladaptation zum Ausdruck kommt.
	        
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