Brhaspati im Rgveda.
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Unsere Antwort muß ein weiterhin zu begründendes Resul
tat vorausnehmen: In der indogermanischen Form des My
thus waren die Kühe ein bildlicher Ausdruck für die Morgen
röten. Und das Bewußtsein einer zugrunde liegenden Iden
tität muß im Rgveda noch stark genug gewesen sein, um
sich gegen die nebenhergehende reale Auffassung der Kühe
zu behaupten. Denn die Kühe, die Brhaspati befreit, sind
gewiß für die alten Sänger irdische Kühe gewesen 1 , die
ganz real brüllen, die begehrenswert (spärhah) genannt wer
den, die zum ersehnten Reichtum der Rsi’s gehören, wie
Pferde und Schafe. Daß also die Kühe irdische Geschöpfe
und doch auch wieder die Morgenröten sind, wird dem Veda
kenner nicht paradox erscheinen. Für ein Denken, das unter
go (Kuh) auch die Milch und was sonst von der Kuh kommt
mitversteht, sind eben die einzelnen Begriffssphären nicht
in der uns heute geläufigen Weise geschieden.
Um zu einem tiefem Verständnis zu gelangen, wird es
nötig sein, die Grenzen des Rgveda zu überschreiten, um zu
sehen, in welcher Gestalt sich der Mythus von der Kuh
gewinnung bei verwandten Völkern findet. Wir werden
dabei von vornherein die spezifisch priesterliche Färbung,
die der ganzen Erzählung im Rgveda anhaftet, in Abzug
bringen müssen, denn wir dürfen annehmen, daß es sich
hier um typisch indische Züge handelt, die einer vorher
gegangenen primitivem Epoche höchstens in ihren ersten
Anfängen eigen gewesen sein können. 1 2
Das Land, nach dem wir in der Vergleichung indischer
Verhältnisse mit andern verwandten Völkern zuerst hin-
blicken, ist das durch die Bande der Sprache, der Religion,
des Kultus engst verbundene benachbarte Iran. Was kann
uns Iran, was der Avesta zur Aufhellung unseres Mythus
bieten? Der Kampf der Götter gegen die im Rgveda deut
lich geschiedenen Dämonen Vrtra und Vala tritt im Avesta
in einer für unsere Frage ungünstigen Gestalt auf, die Breal,
1 Vgl. Oldenberg 148A 1 .
2 Über Spuren solcher Anfänge im Avesta vgl. Oldenberg 144 A s .