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Zweites Kapitel.
Es bleibt nun die Frage, was die Liedverfasser unter
den Kühen verstanden haben, die Brhaspati und Indra nebst
den Angiras dem Vala und den Pani’s entreißen. Sind es
wirkliche Kühe oder sind es Symbole irgendwelcher Art?
Es wird kaum möglich sein, hier mit mathematischer Sicher
heit zu antworten. Bergaigne hat 11,183 f. eine Reihe von
Stellen im Rgveda namhaft gemacht, in denen die Kühe als
von Indra gewonnen mit der Sonne, den Morgenröten und
den Wassern zusammen genannt werden. Wir haben daher
zuerst zu fragen, in welchem Verhältnis diese drei Wesen
heiten zu den Kühen stehen. Uber die Beziehungen der
Kühe und der Wasser haben wir schon gesprochen: die
Kühe gehören zum Valamythus, die Wasser zum Vrtra-
mythus. In der Auffassung des Rgveda haben also diese
Wesenheiten nichts miteinander zu tun. 1 Anders steht es
mit den Morgenröten. Die besondem Beziehungen zwischen
Kühen und Morgenröten werden schon durch den sprach
lichen Ausdruck angedeutet. Das Wort usrd bezeichnet näm
lich bald die Morgenröten (z. B. 11,23,2) a , bald die Kühe
(Graßmann, s. v.), bald scheint es in mystischer Identifikation
auf beide Wesenheiten zu gehen (z. B. X,67,4). Offenbar
müssen also für den vedischen Inder die Morgenröten und
die Kühe durch eine enge Zusammengehörigkeit verbunden
gewesen sein. Woher stammt diese Zusammengehörigkeit? * 1 2
hörten. Hillebrandt (1,83 ff.) faßt seine Erklärung dahin zusammen: „die
verhältnismäßig häufige Erwähnung der Pani’s in jenem (6. Mandala) steht
in Übereinstimmung mit der Schilderung wirklicher Einfälle dieses No-
madenvolkes von iranischem Stamme. An der westlichen SarasvatI, der
Arachosis, kämpft gegen dieses der Ahnherr des Fürsten Sudäs.“ Die
Aufstellung Ludwigs ist durch Hillebrandt schon hinreichend widerlegt
worden. “'Aber auch Hillebraudts eigene Ansicht scheint nicht ohne Be
denken, doch kann es hier nicht unsere Aufgabe sein, seinen Darlegungen
im einzelnen nachzugehen. ,
1 Anders Bergaigne 11,819. Ygl. aber für das Folgende Bergaigne
1,245 f.
2 Bartholomae BB. XV,185 nimmt usräh an dieser Stelle als Gene
tiv. Mehr als die Möglichkeit einer solchen Annahme scheint mir aber
nicht erwiesen.