Full text: Zur Übersetzungstechnik des Wulfila

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ständigen stiles, von versuchen in das bild gotischer prosa einige 
kunstvollere linien einzuzeichnen. 
Es fragt sich nun, wie eine solche Übersetzungstechnik, die bei 
völliger treue gegenüber dem original doch nicht den eindruck skla 
vischer nachahmung macht, zu erklären sei. Man hat behauptet, dass 
der einzige grund eben nur der sein könne, dass zwischen der got. und 
gr. spräche eine grosse ähnlichkeit bestanden haben müsse. Wir werden 
uns damit nicht zufrieden geben können. Vielmehr scheint nach der 
ganzen Untersuchung nur eine möglichkeit eine befriedigende lösung zu 
geben, dass wir es nämlich mit einer got. spräche zu tun haben, die 
bewusst graecisiert war, mit einer gotisch-griechischen literatur- 
oder Schriftsprache. Damit erklärt sich dann auch jene merk 
würdige erscheinung von offenbaren graecismen selbst gegen das gr. 
original 1 , die man gerade immer dazu ausgebeutet hat, um die Selb 
ständigkeit des Goten zu erweisen. Darauf weist auch der wertschätz 
entschieden hin. Nicht mit dem ersten versuch, griechische spräche in 
gotische umzusetzen, haben wir es hier zu tun, sondern mit dem haupt- 
werk einer entwicklung, welche die gotische spräche im kirchlichen 
leben durchgemacht hat und durchmachen musste in dem munde von 
männern, denen das griechische ebenso vertraut war wie ihre mutter- 
sprache. Mit diesem resultat berührt sich, was E. Dietrich in seinem 
buche: Die bruchstücke der skeireins s. LX ausspricht 2 . Nach einer 
kurzen Untersuchung der kleinen got. fragmente, die nicht aus dem 
gr. übersetzt sind, sagt er: „Jedenfalls aber dürfen wir feststellen, dass 
wir es in der durch diese fragmente repräsentierten gotischen Schrift 
sprache mit einer syntaktischen Übereinstimmung mit dem griechischen 
zu tun haben. Das verdienst, aus der ‘barbaren’spräche eine dem 
griechischen angepasste literatursprache geschaffen zu haben, gebührt 
Wulfila. Durch seine bibelübersetzung schuf er aus der got. Volks 
sprache ein neues graecisiertes literaturgotisch. Er selbst war als 
kleriker griechisch gebildet, sprach und schrieb griechisch. Die be- 
schäftigung mit der griechischen bibel und der theologischen literatur, 
der treue anschluss an das heilige original macht es uns begreiflich, 
dass er der Schriftsprache seines Volkes ein griechisches gepräge gab.“ 
1) Vgl. besonders J. VIII, 42, wo gegen das gr. doppelte negation steht, 
Lc. IV, 36, wo, falls keine textverderbnis vorliegt, der Gote gegen das gr. acc. c. inf. 
eingesetzt hat Ferner auch J. VII, 4 u. a. 
2) Fr. Kauffmann, Texte und Untersuchungen zur altgerm. religionsgeschichte, 
texte 2.
	        
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