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zeigt, wie sehr der Rat zwar nicht in der Form, aber in
der Sache das Gericht unter seine Gewalt gebracht hatte.
Die Anfänge einer eigenen Gerichtsbarkeit des
Rates reichen in die Zeit vor 1276 zurück.
1. Schon damals übte der Rat Akte der frei
willigen Gerichtsbarkeit allein aus 20 ). Im Stadtrecht
ist dann bestimmt 21 ): der Beurkundung und Besiegelung
durch den Vogt oder Burggrafen sollten 2 oder 3 Rat
geben beiwohnen; der Rat dürfe aber Akte der frei
willigen Gerichtsbarkeit auch allein besiegeln: „umbe
aigen, umbe keuffe oder umbe swelher hande dink ez
ist, daz ir beider wille ist“. Wenn es sich um einen
strittigen Fall handle, der vor Gericht entschieden ist und
über den nun auf Wunsch der siegenden Partei eine Ur
kunde ausgestellt werden soll, so müssen 2 oder 3 Rat
geben neben anderen Leuten als Zeugen bei dem Akte sein.
Wenn die Erben eines Mannes die Gültigkeit einer
von ihm ausgestellten, mit städtischem Siegel versehenen
Urkunde, durch die er sein Gut verschrieben hat, nicht
anerkennen und sich auch nicht auf dem Rathause ihr
Recht holen wollen, so sollen sie enterbt und für immer
verbannt sein 22 ).
In Erbschaftsangelegenheiten tritt der Rat als stell
vertretender Vormund ein: wenn nach dem Tode eines
Ehegatten der andere die hinterlassenen Liegenschaften
zum Schaden der Kinder für sich verwenden will und
keine Verwandte da sind, die deren Interesse wahrnehmen
können, so soll der Rat eintreten und darüber entscheiden,
was mit den Liegenschaften geschehen soll; „unde swenne
auch daz also geschiht, so mugent die ratgaeben der
Vergehen präsidiert der Vogt dem als Gericht konstituierten Rat. —
1512 wird festgesetzt, daß der Vogt nur in Sachen, die Lebens- oder
schwere Leibesstrafen zur Folge haben, im Rat sitzen und das Urteil
abfragen soll: St.-B., S. 175, Nov. 2.
®) S. Berner, S. 153ff.
2t ) St.-B., S. 188, Art. 113. —
») S. 150, Nov. 3 |IX],
Meyer in Anm. 1.