Karlsruhe, 4. Del. Morgen beginnt hier die Versammlung deutscher Feuerwehrmänner. Heute Nachmittag werden die auswärtigen Theilnehmer hier eintreffen und am Bahnhöfe empfangen werden. Es sollen sich bis jetzt 60 Städte zur Beschickung der Versammlung angemeldet haben. , Kötheu. 3. Oct. Wie die „Anh. Z." erfahrt, wird demnächst der österreichische Generalseldzeugmeister °selacic Banus von Kroatien, in, Begleitung seines Leibarztes und eines größeren Gefolges zu einem län geren Aufenthalte Hierselbst eintreffen, um sich von dem Dr. Lutze homöopathisch behandeln zu lassen München, 1. Oct. Die von mehren Blättern gebrachte Nachricht, daß die Verlobung eurer Tochter des Herzogs Mar in Baiern (einer Schwester der Kaiserin von Oesterreich) mitdem Donpnnzenvon Neapel in Aussicht stehe bestätigt sich. Die Braut ist in Begleitung ihrer Eltern kürzlich nach Ischl, wo selbst die Verlobung gefeiert werden soll, abgereist. Rußland. Petersburq. Ueber den Untergang des ruff. Linienschiffs „Lefort" meldet ein amtlicher Bericht folaendes' Am 9 v. M. erhielten 4 in Reval lie gende Linienschiffe, „Kaiserin Alexandra" -Wladunn . Lefort" jedes von 84 Kanonen, und „Pamat Asowa , von 74 Kanonen, den Befehl, sich machen und nach Kronstadt ,n See zu gehen. Zehn Tage später verließ das letztgenannte Schiff die Rhede von Reval, von einer Dampffregatte remor- kirt. Die drei andern Schiffe waren ebenfalls be- reit, zwei Tage darauf die Fahrt ņachKronstadt an- zutreten. Sie hatten Proviant und Wasser fur ei nen Monat eingenommen und ihre sonstige Aufrü stung vervollständigt. Da der Befehl gegeben war, den günstigen Wind zu benutzen, ohne die Ankunft der Dampfschiffe abzuwarten, so stack die Escadre am 21. v M. bei schönem Wetter und mäßigem SSW.-Winde in See. Das Barometer zeigte 29 ra Zoll englisch. Bald aber wurde der W'.nd fri sche? und ķgt? bereits auf der Höhe der Insel Rotskär, Vorsichtsmaaßregeln zu treffen und d,e Se gel einzuziehen. Um 84 Uhr Abends, als die jnfel Hogland passirt war. steigerte sich die Gewalt des Windes und es mußte Befehl gegeben werden, die Segel noch mehr zu reffen. Gegen Mitternacht sprang der Wind nach Westen, und kurze Znt nach her nach NW. um. Um 4 Uhr Morgens tobte der Wind aus Norden, mit heftigem Hagel und Schnee. Als der Tag zu grauen begann,^ hatten die Schiffe sich bereits der Insel Groß-Tüters genähert In ei- ner Entfernung von 5 Seemeilen vom Mendran von Täters wechselte der Wind abermals, und die Schiffe waren im Begriff demgemäß zu lamren als ein heftiger Windstoß den „Lefort" aus die «eite legte, der ohne sich wieder zu erheben., lanà in die Tiefe hinabsank. Die Besatzung des Schiffes bestand aus dem Capita» nebst 12 Offneren und Aerzte. 743 Matrosen mit 53 Frauen und 17 Kindern; Alle haben in den Fluthen ihren Tod gefunden. Das Unglück ereignete sich am 22. Sept., 7 Uhr 23 Mm., Morgens. 54 Meilen NNO. von der Insel Groß- Tüters. bei einer Tiefe von 30 Faden. Nach dieser schrecklichen Katastrophe zwang der stets zunehmende Sturm die beiden andern Schiffe, bei einer Tiefe von 31 Faden vor Anker zu gehen, und das Toben der Elemente ruhig über sich ergehen zu laffen. Erst nach 53 Stunden legte sich der Wind und die aus geschickten Dampfschiffe konnten herankommen, um die beiden übrig gebliebenen Schiffe nach Kronstadt zu schleppen. Italien. Die sardinische Regierung hat von dem unterseei schen Telegraphen-Constructor Newall aus England die Nachricht erhalten, daß das fehlende Stück Tau an der Linie Bona-Cagliari (nämlich von dem 10 Meilen vom Cap Teulada versenkten Tau-Ende bis nach Cagliari) vollendet ist und daß derselbe bis zum 14. d. M. mit dem Dampfschiffe Elb in letzte rer Stadt einzutreffen gedenkt, um die heikle Arbeit der Wiederauffischung des 80 Klafter tief aus dem Meeresboden ruhenden Taues vorzunehmen und die Linie zu vollenden. Zu gleicher Zeit führt Hr. Newall das Tau mit sich, welches für vie Linie von Malta nach Cagliari bestimmt ist und das für England hohe Bedeutung hat, da vermittelst desselben die in dischen Depeschen in wesentlich kürzerer Zeit nach London gelangen können. Spanien. Aus Madrid wird wieder einmal von einem Ministerwechsel berichtet. Das Ministerium, an dessen Spitze Narvaez stand, hat seine Entlastung eingereicht und ist dieselbe angenommen. Gin Ausflug »ach der Jkormandie und Bretagne von Ludwig Kalisch. AbfahrtvonPans. Rouen. Jvetot. Havre. Sainte-Adreffe. Die erste der vielen goldenen Regeln, welche der Guide Richard zum Heil des Reisenden aufstellt, be steht darin, daß dieser vor dem Antritt der Reise sich ein bestimmtes Ziel setze, di- Marschroute genau bestimme und sich deshalb von den Verkehrsmitteln aufs sorgfältigste unterrichte. Ich beschloß jedoch, dieser Regel, so golden sie auch sein mag, schnur stracks entgegen zu handeln lind mich auf meinem Ausfluge ven Launen des Zufalls zu überlassen. Und so warf ich mich denn an einem der glühendsten Hundstage in einen Eisenbahnwagen, um vor der Hand nach Havre zu gehen und dort die ermatteten Lungen mit Seeluft zu erquicken. Ich dachte gar nicht daran, daß ich mit einem Schnellzug fuhr und so war ick schon in Rouen, als ich mir's kaum auf meinem Platze bequem gemacht. Es kam mir vor, als wäre ich aus einem Pistol von Paris nach der Haupistadt der Normandie geschossen worden. Jeder Halbgebildete weiß, daß in Rouen Pierre Corneille, Fontenelle. Boieldieu und Armand Carrel geboren worden und daß die Jungfrau von Orleans hier auf dem Scheiterhaufen endete; es giebt aber gewiß nranche gründlich gebildete Leute, die nicht wissen, daß Rouen jetzt eine der blühendsten Städte Frankreichs ist und dem Kunstfreund, dem Alter- thumsforscher und dem Nationalökonomen vielfachen Stoff zu den interessantesten Beobachtungen bietet. Keine andere Stadt in Frankreich kann sich so vieler Meisterwerke gothischer Baukunst rühmen. Rouen muß im Mittelalter eine sehr wohlhäbige Stadt ge wesen sein; denn nicht nur die öffentlichen Baudenk mäler, sondern auch unzählige Privathäuser zeugen deutlich von der Pracht, mit der sie vor vielen Jahr hunderten errichtet worden. Ueberall begegnet man den trefflichsten Skulpturen, und unzählige Häuser zeigen dem Beschauer eine eben so reiche als in teressante Ornamentik. Es giebt wenig Städte, in denen das Mittelalter so scharfe Spuren zurückgelassen wie in Rouen. Die meisten Straßen sind finster und winden sich in engen Krümmungen von einem Ende zum andern. Man hat Mühe. Arm in Arm mit einem Freunde durch dieselben zu gehen und muß sich sehr in Acht neh- men, wenn man nicht unangenehme Spuren der Wanderung an den Kleidungsstücken mitnehmen will. Die Stadl sieht großentheils aus, als wäre sie seit Wilhelm dem Eroberer nicht gefegt worden. Selbst in den neuen breiteren Straßen herrscht die unhol ländischste Reinlichkeit, so wie man auch zwischen großen palastähnlichen Gebäuden nicht selten finstere hölzerne Häuser sieht, die vor lauter Baufälligkeit nicht wissen, wohin sie fallen sollen. Rouen zählt über ein Dutzend mehr oder minder großer Kirchen, von denen viele im prachtvollsten gothischen Styl gebaut sind. Gewissenhafte Touri sten. die blindlings den Vorschriften der Reisehand bücher gehorchen, haben hier eine saure Arbeit zu verrichten. Ich aber, der ich ein Feind des blinden Gehorsams bin, beschränkte^ mich auf den Besuch der Kirchen Notre Dame, St. Maclou, St. Godard und St. Quen. Diese letztere ist unstreitig eines der schönsten Denkmäler der gothischen Baukunst. Man kann sich nichts Harmonischeres, nichts Reiche res. nichts Graziöseres denken. Meister Berneval, der dieses Werk geschaffen, war in der That ein großer Poet, der die todten Steine zu beleben wußte. In einer der Kapellen dieser Kirche steht seine Bild säule. Die Sage berichtet, daß er einen seiner Schüler, der die prachtvolle Rosette im nördlichen Seitenschiffe gearbeitet und sich ihm dadurch als ei nen gefährlichen Nebenbuhler verhaßt gemacht, in einem Anfall finsterer Eifersucht ermordet habe. Der Mörder wurde zwar hingerichtet, aber in Anbetracht seines Genies, durch welches er den katholischen Glau ben verherrlicht hat, in der Kirche bestattet. — Ein merkwürdiges Denkmal ächt gothischer Baukunst ist auch das Stadthaus, das in diesem Augenblicke im Geiste des Erbauers restaurirt wird. Hat nun das Innere dieser Stadt eine vorherr schend mittelalterliche Physiognomie, so wird man nicht wenig überrascht, wenn man an die Seine-Ufer gelangt und auf den breiten Quais das Leben und Treiben bemerkt. Hier hat Alles einen modern-hei tern Anstrich. Hier regt sich Alles aufs emsigste u. thätigste. Der Hasen ist mit Schiffen gefüllt. Die Krahnen drehen sich ächzend; die Lastwagen holen die Fracht von den Schiffen, oder bringen sie zu denselben und Kaufherren, Mäkler, Schiffscapitäne und Commis bewegen sich lebhaft durch einander. Die Seine, die in'Paris oft an Wassermangel lei det und nicht selten vor Durst verschmachtet, hat in Rouen eine Breite von fast 800 Fuß. Sie empfin det schon den Einfluß des nahen Meeres, und da die Fluth hier hoch steigt, so erlaubt der Rouer Hafen selbst beträchtlichen Seeschiffen den Eingang. Auf diesen Quais genießt man auch eine sehr schöne Aussicht. Rouen liegt nämlich in einem von unmuthigen grünen Höhen umschlossenen Thale. An einem der Quais befindet sich der Cours Boieldieu. ein schöner, mit schattigen Bäumen besetzter Platz, der mit der Statue des Componisten der „weißen Dame" geschmückt ist. Die Franzosen sind sehr stolz auf ihre Größen. Sie laffen keine Gelegenheit vor übergehen. ohne ihnen Denkmale zu setzen, und man sieht' kaum eine französische Stadt von einiger Be deutung, die sich nicht einer oder mehrer Statuen erfreute. Auf der großen steinernen Brücke ragt die Bildsäule Corneille's von David d'Angers. eines der besseren Werke dieses Bildhauers, der in seinen monumentalen Schöpfungen nicht immer glücklich war. Rouen ist eine der gewerbthätigsten Städte Frank reichs. Hier befinden sich die großartigsten Baum wollenfabriken. Sie versehen ganz Frankreich mit Schlafmützen. Strümpfen, Wämsern und andern der artigen Waaren, die unter dem Namen „Rouenneries" bekannt sind. Bei meiner Anwesenheit in Rouen waren die dortigen Bewohner sehr hosinungsschwan- ger. Der Kaiser hatte nämlich diese Stadt auf sei ner Durchreise nach dsborne vor einigen Tagen be sucht und der dortigen Handelskammer versichert, daß er in Bezug auf die Zollreformen nicht zu schnell handeln, sondern alle Jntereffen zuvor genau erwä gen würde. Außerdem gab er zu verstehen, daß er ans der Rückkehr von England die Stadt abermals besuchen würde. Die guten Rouener zerbrachen sich nun die Köpfe, was sie von dem Staatsoberhaupt bei dessen zweitem Besuch erbitten sollten. Ich hörte diese Frage in meinem Hotel so wie in mehrcreu Kaffeehäusern sehr lebhaft erörtern. Die Wünsche waren verschieden; darüber waren aber Alle einig, daß man die Gelegenheit beim Schopf packen müßte und den Kaiser nicht zum zweitcnmale abreisen las sen dürfte, ohne von ihm wieder eine erkleckliche Bitte erfüllt zu sehen. Am folgenden Tage reiste ich nach Havre ab. Die Eisenbahn durchschneidet die fruchtbarsten und rei- zendsten Landschaften, die dem Auge die unmuthigste Abwechslung gewähren. Kaum hat man Rouen ver lassen, als man in den trefflich angebauten Thälern die großartigsten Fabrikgebäude gewahrt, deren riesige Schornsteine'über die höchsten Ulmen hinausragen. Industrie und Ackerbau reichen sich hier die Hände. Pflug und Spinnmaschine arbeiten hier dicht neben einander und erfüllen das Land mit Wohlstand und Segen. Es war gerade Erntezeit und im Sonnen scheine blitzten die Sensen durch die goldnen Saaten. Man sieht in der Normandie nur wenig Dörfer. Die Bauern leben in vereinzelten Meierhöfen, die von ho hen Bäumen umschlossen sind und dem Lande ein ei genthümliches Aussehen verleihen. Da diese Gehöfte nämlich nur durch Aecker oder Viehweiden von ein ander getrennt sind, so sieht das flache Land aus wie ein unendlicher Wald, der hier und da durch ein Saatfeld oder durch eine saftige Wiese aufs anmu- thigste unterbrochen ist. Die hohen Ulmen und Bu chen, von denen jedes Gehöft umgeben ist, dienen zum Schutze der Apfelbäume im Innern desselben. Diese Apfelbäume liefern den Cider, und es giebtin der Normandie keinen Meierhof ohne Ciderpreffe. Je tiefer man in die Normandie eindringt, desto seltner wird der Rebensaft und man bekommt dann sogar in den ersten Gasthäusern Apfelwein vorgesetzt, ohnedaß man ihn begehrt. Erst auf besonderes Verlangen er hält man wirklichen Wein. Dieser Apfelwein ist ein sehr schlechtes, fades Getränk, an das man sich erst gewöhnen muß, um cs erträglich zu finden. Er ist viel schlechter als der Frankfurter und hat einen höchst unangenehmen Beigeschmack. Man sagte mir indessen zu seiner Entschuldigung, daß seit mehreren Jahren die Aepfel sehr schlecht gerathen und daß man soriwährend die Quantität auf Kosten der Qualität durch Wasser vermehren müßte. Auch in diesem Jahre ist die Apfeiernte mißrathen und man wird daher den Cider abermals einer Taufe unterwerfen müssen. Nach einer Stunde befanden wir uns in Jvetot, einem Städtchen, welches durch Beranzers berühmte Satyce „Le Roi d'Ivetol" weltbekannt geworden ist. Dieser kleine Ort soll nach der Behauptung einiger Chronisten, für deren Wahrhaftigkeit ich mich aber durchaus nicht verbürgen will, einst ein unabhängi ges Königreich gebildet haben. Die Sache verhält sich wie folgt: Ein gewisser Gauthier, Hr. v. Jvetot, hatte den König Chlotar beleidigt; da er nun die Grausamkeit des Königs kannte, beschloß er, ihm Ab bitte zu thun und warf sich demnach an einem Char- freitag zu den Füßen des Königs, als dieser gerade in der Kirche zu Soissons vor dem Altare knieete. Chlotar aber, statt dem Flehenden zu verzeihen, zog sein Schwert und hieb ihn nieder. Bald wurde des Königs Herz von Reue oder vielmehr von Furcht er füllt; denn der Pabst Agapet drohte ihm mit dem Bannstrahl, und da er, Chlotar nämlich, den todten Gauthier nickt wieder lebendig machen konnte, so machte er dessen Nachfolger zu Königen von Jvetot. Beranger wurde, beiläufig gesagt, zu dem erwähn ten Chanson durch das Schild einer Weinkneipe an der Ecke der Rue St. Honore veranlaßt, aust wel chem der König von Jvetot mit einer weißen Schlaf mütze auf dem Kopfe abconterfeit war. Er wollte anfangs den interessanten Stoff für eine komische Oper benutzen, sah aber bald ein, daß er in einigen kurzen Strophen mehr sagen könnte als in einem viertel Dutzend Akten. Die Oper wäre gewiß schon längst vergessen, während das Lied mit seinem neckischen Refrain im Munde Aller lebt. Ich war noch in tiefes Nachdenken über den Ur sprung des Königreichs Jvetot versunken, als die Lo comotive einen grellen Pfiff that und wir uns in Havre befanden. Nachdem ich mich in ein Hotel un tergebracht, eilte ich an's Meer, sog dort stundenlang die frische erquickende Luft ein und weidete mein Auge an dem weiten Horizonte. Havre macht weniger den Eindruck einer großen, als einer im Wachsen begriffenen Stadt. Sie wurde von Franz dem Ersten gegründet und Franciscopolis getauft. Dieser Name war aber den lebhaften Fran zosen zu lang und zu pedantisch, und man gab Ģ