158 IV. Materia medica und Toxikologie. kes machte oft eine Umarmung der Venus vulgivaga. — Bei einer solchen luxuriösen Lebensweise konnte ich nur das wieder holen, was unsertn Ritter sein voriger Arzt (ein' beliebter Prak tiker, welchen die Typhusseuche 1813 wegraffte) gesagt hatte: „ich kann Ihr Podagra heilen: aber Rückfälle nicht verhüten: ändern Sie Ihre Lebensweise, und Sie werden gesund bleiben!“ Von der Aenderung wollte er aber nichts wissen: er lebte, uni zu gemessen und führte in seinem Schilde das Motto: ich trinke meinen Wein und leide meine Pein. — Sein Podagra kehrte auch, wie schon erwähut, fast regelmässig zur Herbst- und Frühjahrs zeit zurück. Mitunter wurden auch die Kniee und die Hände von dem Gichtstoffe ergriffen, und selbst sein Husten, mit dem er sich schon viele Jahre schleppte, Wurde alsdahn unartiger. Dieser Schleimhusten und eine nicht ganz freie Respiration nicht gerechnet, befand sich der Podagist zwischen den Anfällen wohl und hatte selbst in seinem hohen Alter noch eine gute Constitu tion. — Mehrere Jahre hindurch hatte ich jene Anfälle von Po dagra und Brustleiden vermittelst- der bekannten Mittel glücklich vorüber geführt, als sich die Scene in so fern änderte, dass die Anfälle nicht als Podagra, sondern als Asthma begannen. Br hatte eines Abends die Brust mehr als gewöhnlich belastet, die Magengegend aufgeblähet gefühlt und viel Aufstossen bekommen. Allein an solche Zufälle gewöhnt, hatte er sich, sie nicht beach tend, obgleich die Zeit seiner Podagra-Anfälle bevorstand, zu Bett begeben. Um Mitternacht erwacht er plötzlich aus dem Schlafe, springt aus dem Belt, reisst die Fenster auf, um Luft zu schö pfen; aber eine schwere Last drückt auf seine Brust, ein hefti ger Krampf schnürt Brust und Kehle zusammen: er kann nicht athmen, er läuft im Zimmer auf und ab, während alle Augen blicke Harn von ihm geht; er fällt um und scheint zu verschei den. So finde ich ihn,, mit blauem Gesichte, hervorstehendeu Augen, kalten Extremitäten, unfiihlbarem Pulse, ohne Sprache, und unter den heftigsten Anstrengungen, etwas Luft zu schöpfen, auf die Brust und den Maud zeigend. — Während die benöthig- ten Mittel aus der Apotheke herbeigeschafft wurden, liess ich den Kranken frottiren, bürsten, Hände und Füsse mit heissen Serviet ten belegen, Senfpflaster auf die Brust und Waden appiieiren, zog geistige Riechmittel und was die Wirthsohaft sonst darbot, in Gebrauch: aber alles vergebens, wir erwarteten jeden Augen blick den Ersickungstod. Endlich kam der verschriebene Mo schus an, und ich fürchtete nur, dass Patient ihn nicht würde schlucken können. Aber er hatte das erste Pulver, einen Gran stark, kaum in den Mund genommen, es war wenigstens noch nicht in den Magen gekommen, so liess der Brustkrampf nach, und nach einer Viertelstunde war die so drohende Lebensgefahr ver schwunden. Der Puls ward fühlbar und voll, Gesicht und Ex tremitäten nahmen die natürliche Temperatur an, es verbreitete sich ein Schweiss über die ganze Haut, Patient fing wieder au.